190
IV. Die Edition
Schließlich zeigt das in Kapitel III.3.5. (Abschnitt „Werk im Werk“) bereits aus-
führlich beschriebene Beispiel der Handschrift Pr2, dass neben institutionellen Be-
ziehungen und direkten Kontakten auch die Bezugnahme auf eine bedeutsame Per-
son den Anstoß für den Austausch von Büchern geben konnte: Die in Wittingau
verwahrte Handschrift entstand aus der Vorlage eines (nicht identifizierten) Exemp-
lars aus Sadskä, einer weiteren Raudnitzer Gründung, weil mit der Abschrift des
„Bienenbuchs“ zu Ehren des Erzbischofs Ernst von Pardubitz auch dessen Gebets-
kommentare übernommen wurden.77
Die Gebetskommentare Ernsts von Pardubitz zum „Bienenbuch“ sind ein weiteres
Bindeglied zwischen den aufgeführten Handschriften, denn drei Exemplare aus Un-
tergruppe 2 (Prl, Pr4, Wr3) überliefern diesen Text genau wie Codex Pr2, der Unter-
gruppe 1 repräsentiert. Dass die Person Ernsts als Knotenpunkt in diesem Gefüge
firmiert, wird aber nicht nur aus dem Leihhinweis in Pr2 deutlich. So war Ernst nicht
nur Erzbischof von Prag, wo Pr4 vermutlich im Domkapitel hergestellt wurde, son-
dern auch als ein nachdrücklicher Förderer der Raudnitzer Reformklöster bekannt.
Er hatte neben der Raudnitzer Gemeinschaft (wo Prl verwahrt wurde) auch deren
Tochterkloster Sadskä unterstützt, dessen „Bienenbuch“-Ausgabe als Vorlage für Pr2
diente. Da Sadskä und Wittingau (Tfebon: Pr2) Raudnitzer Gründungen waren, ist
ebenso wie im Falle von St. Dorothea (W4, s.o.) davon auszugehen, dass die regen
persönlichen Kontakte auch von einem Bücheraustausch flankiert wurden.78 Hand-
schrift Wr3 schließlich, die bei den Johannitern von Breslau (Wroclaw) entstand,
scheint nur auf den ersten Blick nicht in diese Strukturen einzupassen zu sein. Tat-
sächlich aber waren zahlreiche böhmische Augustiner-Chorherren nach Schlesien
geflohen, nachdem die Raudnitzer Niederlassung 1421, ein Jahr nach der Verwüstung
der Tochtergründung Sadskä, von hussitischen Truppen zerstört worden war. Sie lie-
ßen sich vor allem in den Stiften von Sagan (Zagan; hier entstand Handschrift Wrl)
und Breslau (Wroclaw) nieder. Bei ihrer Flucht nahmen die böhmischen Chorherren
auch einen Teil der Bibliotheksbestände mit, in Schlesien betätigten sich etliche von
ihnen weiter als Kopisten, Glossatoren und Bibliothekare.79 Eine Weitergabe des
„Bienenbuchs“ innerhalb der Stadt Breslau erscheint angesichts dieser engen Verbin-
dungen nicht nur denkbar, sondern auch plausibel.
Die Untersuchung der „roten” Gruppe zeigt, dass die auf der Grundlage von
textimmanenten Kriterien vorgenommenen Zuschreibungen mit einer inhaltlichen
77 Praha, Närodm knihovna Ceske republiky, cod. XII B 2, fol. 3v: Quem quidem libellum sic manu
suapropria annotatum de monasterio saccensi accepimus mutuatum, et eum rescribiprocurant.es
eciam ipsas oraciunculas ob memoriam ipsius et devocionem legentium in presenti nostro libro in
marginibus fecimus consignari. Das mutmaßliche Original aus Sadskä konnte bislang nicht iden-
tifiziert werden. S. hierzu die ausführlichen Darlegungen in Kapitel III.3.5. (Abschnitt „Werk im
Werk“).
78 S. hierzu Hlaväcek, Zum Alltagsleben.
79 S. hierzu detailliert Boldan, Augustiner-Chorherren.
IV. Die Edition
Schließlich zeigt das in Kapitel III.3.5. (Abschnitt „Werk im Werk“) bereits aus-
führlich beschriebene Beispiel der Handschrift Pr2, dass neben institutionellen Be-
ziehungen und direkten Kontakten auch die Bezugnahme auf eine bedeutsame Per-
son den Anstoß für den Austausch von Büchern geben konnte: Die in Wittingau
verwahrte Handschrift entstand aus der Vorlage eines (nicht identifizierten) Exemp-
lars aus Sadskä, einer weiteren Raudnitzer Gründung, weil mit der Abschrift des
„Bienenbuchs“ zu Ehren des Erzbischofs Ernst von Pardubitz auch dessen Gebets-
kommentare übernommen wurden.77
Die Gebetskommentare Ernsts von Pardubitz zum „Bienenbuch“ sind ein weiteres
Bindeglied zwischen den aufgeführten Handschriften, denn drei Exemplare aus Un-
tergruppe 2 (Prl, Pr4, Wr3) überliefern diesen Text genau wie Codex Pr2, der Unter-
gruppe 1 repräsentiert. Dass die Person Ernsts als Knotenpunkt in diesem Gefüge
firmiert, wird aber nicht nur aus dem Leihhinweis in Pr2 deutlich. So war Ernst nicht
nur Erzbischof von Prag, wo Pr4 vermutlich im Domkapitel hergestellt wurde, son-
dern auch als ein nachdrücklicher Förderer der Raudnitzer Reformklöster bekannt.
Er hatte neben der Raudnitzer Gemeinschaft (wo Prl verwahrt wurde) auch deren
Tochterkloster Sadskä unterstützt, dessen „Bienenbuch“-Ausgabe als Vorlage für Pr2
diente. Da Sadskä und Wittingau (Tfebon: Pr2) Raudnitzer Gründungen waren, ist
ebenso wie im Falle von St. Dorothea (W4, s.o.) davon auszugehen, dass die regen
persönlichen Kontakte auch von einem Bücheraustausch flankiert wurden.78 Hand-
schrift Wr3 schließlich, die bei den Johannitern von Breslau (Wroclaw) entstand,
scheint nur auf den ersten Blick nicht in diese Strukturen einzupassen zu sein. Tat-
sächlich aber waren zahlreiche böhmische Augustiner-Chorherren nach Schlesien
geflohen, nachdem die Raudnitzer Niederlassung 1421, ein Jahr nach der Verwüstung
der Tochtergründung Sadskä, von hussitischen Truppen zerstört worden war. Sie lie-
ßen sich vor allem in den Stiften von Sagan (Zagan; hier entstand Handschrift Wrl)
und Breslau (Wroclaw) nieder. Bei ihrer Flucht nahmen die böhmischen Chorherren
auch einen Teil der Bibliotheksbestände mit, in Schlesien betätigten sich etliche von
ihnen weiter als Kopisten, Glossatoren und Bibliothekare.79 Eine Weitergabe des
„Bienenbuchs“ innerhalb der Stadt Breslau erscheint angesichts dieser engen Verbin-
dungen nicht nur denkbar, sondern auch plausibel.
Die Untersuchung der „roten” Gruppe zeigt, dass die auf der Grundlage von
textimmanenten Kriterien vorgenommenen Zuschreibungen mit einer inhaltlichen
77 Praha, Närodm knihovna Ceske republiky, cod. XII B 2, fol. 3v: Quem quidem libellum sic manu
suapropria annotatum de monasterio saccensi accepimus mutuatum, et eum rescribiprocurant.es
eciam ipsas oraciunculas ob memoriam ipsius et devocionem legentium in presenti nostro libro in
marginibus fecimus consignari. Das mutmaßliche Original aus Sadskä konnte bislang nicht iden-
tifiziert werden. S. hierzu die ausführlichen Darlegungen in Kapitel III.3.5. (Abschnitt „Werk im
Werk“).
78 S. hierzu Hlaväcek, Zum Alltagsleben.
79 S. hierzu detailliert Boldan, Augustiner-Chorherren.