2.3 Quellen und Vorlagen
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natürlich Bibelzitate. Durch die Randglossen „untermauert“ Gerhoch nicht nur seine
Gelehrsamkeit, sondern er „ummauert“ damit vor allem seine radikalen Forderungen
nach einer Reform von Gottes Bauwerk, die er im Haupttext entwirft.119 Bei seinen
Zitaten aus Dekreten frühchristlicher Päpste und Konzilsbeschlüssen speist Gerhoch
sein Wissen vor allem aus kanonistischen Sammlungen beziehungsweise Sammel-
handschriften, wie die pseudoisidorischen Dekretalen und die jüngeren, fast zeitge-
nössischen Rechtssammlungen des Deusdedit, Ivo von Chartres, Anselm von Lucca
und Placidus von Nonantola.120
Gerhoch greift mehrfach auf die pseudoisidorischen Dekretalen zurück, die haupt-
sächlich Papstdekrete und Konzilsbeschlüsse aus der Zeit Papst Clemens I. (ca. 90-
101) bis zu Papst Gregor I. (590-604) beinhalten und zur umfangreichsten sowie ein-
flussreichsten kirchenrechtlichen Fälschung des Mittelalters zählen.121 Entstanden ist
dieser Fälschungskomplex wohl im zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts. Bei der Ver-
zeichnung der Autoritätenzitate, die aus den pseudoisidorischen Dekretalen schöp-
fen, wird auf die Edition von Paul Hinschius (1835-1898) verwiesen, die jedoch nicht
alle Handschriften berücksichtigt und teilweise gravierende Fehler in der Datierung
der Handschriften enthält.122 Eine kritische Edition, die modernen Ansprüchen ge-
recht wird und alle heute bekannten Handschriftengruppen berücksichtigt, liegt lei-
der noch nicht vor, befindet sich aber bereits in Planung.123 Auf welche Handschrift
der pseudoisidorischen Dekretalen Gerhoch Zugriff hatte, ist schwer zu klären, be-
kannt ist lediglich, dass diese kirchenrechtliche Fälschung auch in der Salzburger
Kirchenprovinz in mehreren Handschriftenfassungen verbreitet war.124 Möglich ist
natürlich auch, dass Gerhoch die Pseudoisidorexzerpte über die späteren, systemati-
schen kirchenrechtlichen Sammlungen des 11. und 12. Jahrhunderts aufnahm, in die
die pseudoisidorischen Dekretalen in großem Umfang einflossen und von deren Ver-
fassern teilweise um- beziehungsweise neugedeutet wurden.125 Ein großer Anteil an
pseudoisidorischen Rechtssätzen findet sich vor allem in der Collectio canonum
Anselms von Lucca, die für die Randglossen Gerhochs eine zentrale Rolle spielt.
Anselm II. von Lucca (1035-1086), der ursprünglich der Mailänder Adelsfamilie da
119 Vgl. hierzu Classen, Gerhoch, S. 40-47. Zum Inhalt ausführlich Einleitung, Kap. 2.4.
120 Vgl. Classen, Gerhoch, S. 54.
121 Vgl. hierzu Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung, Bd. 1, S. 167-194; Kery, Canonical collections,
S. 100-114 (hier mit ausführlicher Bibliographie); Zechiel-Eckes, Ein Blick in Pseudoisidors
Werkstatt, S. 37-90.
122 Decretales pseudo-isidorianae et Capitula Angilramni, ed. Paul Hinschius, Aalen 1863, Ndr. Aalen
1963.
123 Zum Inhalt des Projektes siehe URL: [http://www.pseudoisidor.mgh.de/index.HTM] (12.11.2019).
124 Salzburger Provenienz ist beispielsweise die im 11. Jahrhundert entstandene Handschrift, die sich
heute in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien befindet: Wien, ÖNB, Cod. 2161; sie-
he URL: [http://www.pseudoisidor.mgh.de/html/handschriftenbeschreibung_Wien_2161.html]
(12.11.2019). Vgl. Kery, Canoncial collections, S. 105-108.
125 Vgl. Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung, Bd. 2, S. 423-425.
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natürlich Bibelzitate. Durch die Randglossen „untermauert“ Gerhoch nicht nur seine
Gelehrsamkeit, sondern er „ummauert“ damit vor allem seine radikalen Forderungen
nach einer Reform von Gottes Bauwerk, die er im Haupttext entwirft.119 Bei seinen
Zitaten aus Dekreten frühchristlicher Päpste und Konzilsbeschlüssen speist Gerhoch
sein Wissen vor allem aus kanonistischen Sammlungen beziehungsweise Sammel-
handschriften, wie die pseudoisidorischen Dekretalen und die jüngeren, fast zeitge-
nössischen Rechtssammlungen des Deusdedit, Ivo von Chartres, Anselm von Lucca
und Placidus von Nonantola.120
Gerhoch greift mehrfach auf die pseudoisidorischen Dekretalen zurück, die haupt-
sächlich Papstdekrete und Konzilsbeschlüsse aus der Zeit Papst Clemens I. (ca. 90-
101) bis zu Papst Gregor I. (590-604) beinhalten und zur umfangreichsten sowie ein-
flussreichsten kirchenrechtlichen Fälschung des Mittelalters zählen.121 Entstanden ist
dieser Fälschungskomplex wohl im zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts. Bei der Ver-
zeichnung der Autoritätenzitate, die aus den pseudoisidorischen Dekretalen schöp-
fen, wird auf die Edition von Paul Hinschius (1835-1898) verwiesen, die jedoch nicht
alle Handschriften berücksichtigt und teilweise gravierende Fehler in der Datierung
der Handschriften enthält.122 Eine kritische Edition, die modernen Ansprüchen ge-
recht wird und alle heute bekannten Handschriftengruppen berücksichtigt, liegt lei-
der noch nicht vor, befindet sich aber bereits in Planung.123 Auf welche Handschrift
der pseudoisidorischen Dekretalen Gerhoch Zugriff hatte, ist schwer zu klären, be-
kannt ist lediglich, dass diese kirchenrechtliche Fälschung auch in der Salzburger
Kirchenprovinz in mehreren Handschriftenfassungen verbreitet war.124 Möglich ist
natürlich auch, dass Gerhoch die Pseudoisidorexzerpte über die späteren, systemati-
schen kirchenrechtlichen Sammlungen des 11. und 12. Jahrhunderts aufnahm, in die
die pseudoisidorischen Dekretalen in großem Umfang einflossen und von deren Ver-
fassern teilweise um- beziehungsweise neugedeutet wurden.125 Ein großer Anteil an
pseudoisidorischen Rechtssätzen findet sich vor allem in der Collectio canonum
Anselms von Lucca, die für die Randglossen Gerhochs eine zentrale Rolle spielt.
Anselm II. von Lucca (1035-1086), der ursprünglich der Mailänder Adelsfamilie da
119 Vgl. hierzu Classen, Gerhoch, S. 40-47. Zum Inhalt ausführlich Einleitung, Kap. 2.4.
120 Vgl. Classen, Gerhoch, S. 54.
121 Vgl. hierzu Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung, Bd. 1, S. 167-194; Kery, Canonical collections,
S. 100-114 (hier mit ausführlicher Bibliographie); Zechiel-Eckes, Ein Blick in Pseudoisidors
Werkstatt, S. 37-90.
122 Decretales pseudo-isidorianae et Capitula Angilramni, ed. Paul Hinschius, Aalen 1863, Ndr. Aalen
1963.
123 Zum Inhalt des Projektes siehe URL: [http://www.pseudoisidor.mgh.de/index.HTM] (12.11.2019).
124 Salzburger Provenienz ist beispielsweise die im 11. Jahrhundert entstandene Handschrift, die sich
heute in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien befindet: Wien, ÖNB, Cod. 2161; sie-
he URL: [http://www.pseudoisidor.mgh.de/html/handschriftenbeschreibung_Wien_2161.html]
(12.11.2019). Vgl. Kery, Canoncial collections, S. 105-108.
125 Vgl. Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung, Bd. 2, S. 423-425.