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Gerhohus; Becker, Julia [Hrsg.]; Insley, Thomas [Übers.]
Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio Dei: die¬ Apostel als Ideal : Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Einleitung, Verzeichnisse und Edition mit Übersetzung Opusculum de aedificio Dei — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.65331#0031
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2. Opusculum de aedificio Dei

aber, die Komposition und Methode sind von Digressionen und Exkursen geprägt.115
Dies zeigt auch ein Blick ins Inhaltsverzeichnis: viele Kapitel wiederholen sich in-
haltlich, hätten gekürzt oder zusammengefasst werden können.116
Dieser Eindruck spiegelt sich auch in sprachlicher Hinsicht im Opusculum wider.
Grundsätzlich ist Gerhochs Sprachstil flüssig und zeichnet sich durch einen abwechs-
lungsreichen Wortschatz sowie Satzbau aus. Häufig verwendet Gerhoch Allegorien,
Anspielungen und Metaphern, in die er gerne biblische Zitate aus dem Alten und
Neuen Testament einfließen lässt. Außerdem beherrscht er das Latein exzellent, deu-
tet die Heilige Schrift souverän aus und bedient sich sehr umfangreich an patristi-
scher und kanonistischer Literatur. All diese Eigenschaften lassen auf eine außer-
gewöhnlich gebildete Person schließen.117 Zitate antiker Autoren finden sich im
Opusculum nicht, was sicherlich nicht mit Unkenntnis, sondern mit der Skepsis Ger-
hochs gegenüber den weltlichen Wissenschaften sowie den septem artes liberales zu
begründen ist.118
2.3 Quellen und Vorlagen
Gerhoch von Reichersberg greift in seinem Opusculum de aedificio Dei auf zahlrei-
che Quellen zurück. In den am Rand angefügten Autoritäten zitiert er Auszüge aus
den Dekreten frühchristlicher Päpste (wie beispielsweise Gregor L, Gelasius L, Hila-
rius L, Innozenz L, Leo I. und Urban L), aus den Schreiben der Reformpäpste (u. a.
Alexander II., Gregor VII., Nikolaus II. und Urban II.), daneben finden sich Konzilsbe-
schlüsse (Konzil von Aquileia, Antiochia, Chalcedon, Laodizäa, Nicäa, Toledo etc.),
Auszüge aus patristischer Literatur (vor allem aus Augustinus, Ambrosius, Hieronymus
und Johannes Chrysostomus), Heiligenviten (insbesondere aus der Vita Sancti Martini
des Sulpicius Severus und der Vita Sancti Gregorii magni des Johannes Diaconus) und
115 Karl Langosch fällt in der ersten Auflage des Verfasserlexikons noch ein sehr hartes Urteil über
Gerhochs Stil: „Der Inhalt ist nicht komprimiert und zusammenhängend dargestellt; immer wieder
schieben sich Abschweifungen ein, immer wieder kommt in derselben Schrift das gleiche zur Spra-
che. Wenn G[erhoch] auch seine Prosa sehr häufig, freilich nicht durchgehend mit Reim schmückte,
so vermißt man doch in seiner Sprache Gewandtheit und Formvollendung. Seine Sätze sind meistens
in langgestrechten Konstruktionen schwerfällig aufgebaut; sein Ausdruck ist gegenüber dem Bern-
hards tradtitionell und steif, nicht so glänzend und glutvoll.“ Langosch, Reichersberg, Sp. 1035.
116 „Der kritischen und analytischen Begabung entspricht freilich keine systematische Befähigung,
Überzeugungs- oder gar Begeisterungskraft. Weitschweifig und assoziativ, voller Wiederholungen
und nicht ohne Widersprüche, den Leser oft ermüdend, trägt er seine Gedanken vor, nur selten
gelingen scharf pointierte Sätze.“ Classen, Gerhoch, S. 55. Siehe Kapitelübersicht in Teilband II,
Anhang 1.1.
117 Vgl. Classen, Gerhoch, S. 54-55. Laut De Ghellinck gehöre Gerhoch zusammen mit Otto von
Freising zu den besten Latinisten seiner Zeit: De Ghellinck, L’essor, S. 121.
118 Vgl. Classen, Gerhoch, S. 54; Jacobs, Studien, S. 356-357.
 
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