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Gerhohus; Becker, Julia [Hrsg.]; Insley, Thomas [Übers.]
Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio Dei: die¬ Apostel als Ideal : Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Einleitung, Verzeichnisse und Edition mit Übersetzung Opusculum de aedificio Dei — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.65331#0062
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3.2 Innovationscharakter des Textes?

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Hierbei geht es um die Vierteilung der kirchlichen Einkünfte, die Gerhoch ausführ-
lich in den Kapiteln 146 und 177 behandelt.317 Die kanonische Vierteilung gelte in den
regulierten Kanonikergemeinschaften nicht, da nach dem apostolischen Vorbild alles
den Armen gegeben werden müsse.318 Gerhoch legt Wert darauf, in seinem eigenen
„Autoritätenzitat“ den Leser darauf aufmerksam zu machen, dass er zwar die Kon-
zilsbeschlüsse, die die Vierteilung der kirchlichen Zehnten und Oblationen belegen,
in seinen Randglossen zitiert habe. 319 Diese hätten jedoch für diejenigen Kleriker, die
der apostolischen und gemeinschaftlichen Lebensweise folgen würden, keine Gültig-
keit, da in diesem Fall die apostolische Regel und das evangelische Vorbild - wie es
auch das Schreiben Papst Gregors des Großen an den Erzbischof Augustinus von
Canterbury belegt - greifen würde.320
Rein optisch ist diese Leseranweisung Gerhochs genauso angelegt wie auch die
übrigen Autoritätenzitate. Der Textblock ist durch rote Umrahmung hervorgehoben
und der Initialbuchstabe vom restlichen Text abgesetzt. Gerhoch bietet - wie es auch
bereits bei den ergänzten Autoritätenzitaten der Fall ist - seine eigene Interpretation
über die Verteilung der kirchlichen Einkünfte layouttechnisch in autoritativer Form
an, allerdings verweist er am Ende auf die päpstliche Autorität Gregors des Großen,
der dies bereits ähnlich formuliert hatte.
3.2 Innovationscharakter des Textes?
Das in einigen Kapiteln bereits konsequent ausgeführte Verweissystem auf inhaltli-
che Belege sowie der Umgang mit den Autoritätenzitaten, die teilweise um eigene
Anmerkungen ergänzt werden, belegen neuartige Methoden bei der Durchsetzung
und Verbreitung von Gerhochs Reformforderungen. Der Reichersberger Propst ist,
das verdeutlicht sein Opusculum de aedificio Dei, von seinem Heilsauftrag und sei-
ner Verantwortlichkeit für die Hinführung des Klerus zur vita apostolica und damit
zur vita eterna überzeugt. Aus dieser Überzeugung generiert er zahlreiche „innova-
tive“ Ansätze und versucht sein Werk auf höchster Ebene zu verbreiten.321 Die For-
derungen und Ideen selbst, die Gerhoch aufstellt, sind dabei teilweise bereits über-
holt. Gerhoch macht sich vor allem hinsichtlich der Infragestellung der Gültigkeit
der von irregulär lebenden Klerikern gespendeten Sakramente angreifbar. Er spricht
dieses Thema zwar noch nicht konkret im Opusculum an, aber es wird indirekt
317 Vgl. Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 146 und 177, S. 470-472 und S. 532-538.
318 Mt 19, 21.
319 Siehe Autoritäten, Teilband II, S. 12, 70 (fol. 7r, 23r).
320 Siehe Autoritäten, Teilband II, S. 72 (fol. 23r); Gregor der Große, Briefe XI, ep. 56a, ed. Hartmann,
MGH Epp. 2, S. 333-334.
321 Siehe Einleitung, Kap. 1.2.
 
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