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3. Besonderheit, Bedeutung und Rezeption
durch seine Auffassung berührt, dass jeder, der wissentlich etwas tue, das unter
Androhung des Bannspruchs verboten wurde, augenblicklich exkommuniziert
sei.322 Erst wenig später trifft er hierüber in der Epistola adInnocentium papam eine
eindeutige Aussage.323 Damit folgt er der radikalen Auffassung des römischen Kar-
dinals Humbert von Silva Candida, der den durch simonistische oder häretische
Priester gespendeten Sakramenten grundsätzlich jede Wirksamkeit abgesprochen
hatte.324 Die Diskussion der Reformpäpste über die sakramentale Heilsvermittlung
simonistischer und nikolaitischer Priester ist zwar zur Abfassungszeit des Opuscu-
lum noch im Gang, allerdings entwickelte sich bereits in Anlehnung an Petrus Dami-
ani die Tendenz, die Objektivität der Sakramente herauszustellen, da die Wirksam-
keit eines Sakramentes nicht aus dem Verdienst des Priesters, sondern aus der
göttlichen Kraft des Schöpfers resultiere.325 Die priesterliche Lebensführung sei also
unbedeutend für die wirksame Heils- und Sakramentsvermittlung.326 Zwar hinkt
Gerhoch mit seinem radikalen Standpunkt bezüglich der Gültigkeit der Schismati-
kersakramente den Entwicklungen seiner Zeit etwas hinterher, allerdings greift er
mit seiner Forderung nach der Imitation der apostolischen Lebensweise und Befol-
gung der apostolischen Regel durch jeden Getauften eine Reformbewegung auf, die
322 Attamen, si aliquid sub anathemate sciturprohibitum, quam cito illud ab aliquo committitur, sciat
se continuo excommunicatum. Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 112, S. 412.
323 Nonne cum hoc attendebas, pariter et hoc debebas advertere, quod in eadem aecclesia neminem,
nisi apostolica et communi vita viventem consensit altari ministrare vel baptizare velpredicare? ...
Unum restat probandum, scilicet quod ereticorum ea sacramenta extra aecclesiam celebrata, licet
quantum adformam sacramentalem sint integra, sicut integra est aliquando manus amputata, tarnen
a virtute sancti Spiritus ita sunt vacua, sicut ab humano sensu et spiritu manus amputata. Gerhoch
von Reichersberg, Epistola ad Innocentium papam, ed. Sackur, MGH Ldl 3, S. 211 und S. 216.
324 Quin etiam si Deus apparet his, qui fidem habent in illum, profecto patet Spiritum sanctum nec
apparere symoniacis, quiperfidis et mendacio impugnant illum. Humbert von Silva Candida, Libri
III adversos Simoniacos, ed. Thaner, MGH Ldl 1, lib. 2, cap. 9, S. 149. Vgl. Laudage, Priesterbild
und Reformpapsttum, S. 246-247.
325 Effectus itaque benedictionis non in merito sacerdotis constat, sed hunc invocatio divini nominis
administrat, ut quod ex ore sonet hominis, virtus impleat Creatoris, et per indigni saepe hominis
ministerium divina virtus suum veraciter efficiat sacramentum. Petrus Damiani, De sacramentis
per improbos administratis, Migne PL 145, Sp. 526.
326 Ein entsprechender Kanon über die Duldung von Weihen durch Simonisten bei Unwissenheit und
untadeliger Lebensführung des Empfängers Endet sich auch bereits im Konzil von Piacenza 1095
unter der Leitung von Urban II. Ausschnitte aus diesen Konzilsbeschlüssen wurden vom zeitge-
nössischen Kopisten in der Handschrift Clm 5129 direkt im Anhang an das Opusculum eingefügt:
München, BSB, Clm 5129, fol. 85v-86r (Urbani II. Concilium Placentinum, ed. Weiland, MGH
Const. 1, Nr. 393, c. 1-7, 15, S. 561-563). Ein klarer Beschluss hinsichtlich der Gültigkeit der Hä-
retikersakramente in Bezug auf die Taufe findet sich erstmals im vierten Laterankonzil von 1215:
Conciliorum oecumenicorum decreta II, Concilium Lateranense a. 1215, ed. Wohlmuth/Sunnus,
c. 1, S. 230-231. Vgl. außerdem Rieger, Kirchenreform und Theologiekritik, S. 144; Laudage,
Priesterbild und Reformpapsttum, S. 315; Landgraf, Dogmengeschichte, S. 147-158.
3. Besonderheit, Bedeutung und Rezeption
durch seine Auffassung berührt, dass jeder, der wissentlich etwas tue, das unter
Androhung des Bannspruchs verboten wurde, augenblicklich exkommuniziert
sei.322 Erst wenig später trifft er hierüber in der Epistola adInnocentium papam eine
eindeutige Aussage.323 Damit folgt er der radikalen Auffassung des römischen Kar-
dinals Humbert von Silva Candida, der den durch simonistische oder häretische
Priester gespendeten Sakramenten grundsätzlich jede Wirksamkeit abgesprochen
hatte.324 Die Diskussion der Reformpäpste über die sakramentale Heilsvermittlung
simonistischer und nikolaitischer Priester ist zwar zur Abfassungszeit des Opuscu-
lum noch im Gang, allerdings entwickelte sich bereits in Anlehnung an Petrus Dami-
ani die Tendenz, die Objektivität der Sakramente herauszustellen, da die Wirksam-
keit eines Sakramentes nicht aus dem Verdienst des Priesters, sondern aus der
göttlichen Kraft des Schöpfers resultiere.325 Die priesterliche Lebensführung sei also
unbedeutend für die wirksame Heils- und Sakramentsvermittlung.326 Zwar hinkt
Gerhoch mit seinem radikalen Standpunkt bezüglich der Gültigkeit der Schismati-
kersakramente den Entwicklungen seiner Zeit etwas hinterher, allerdings greift er
mit seiner Forderung nach der Imitation der apostolischen Lebensweise und Befol-
gung der apostolischen Regel durch jeden Getauften eine Reformbewegung auf, die
322 Attamen, si aliquid sub anathemate sciturprohibitum, quam cito illud ab aliquo committitur, sciat
se continuo excommunicatum. Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 112, S. 412.
323 Nonne cum hoc attendebas, pariter et hoc debebas advertere, quod in eadem aecclesia neminem,
nisi apostolica et communi vita viventem consensit altari ministrare vel baptizare velpredicare? ...
Unum restat probandum, scilicet quod ereticorum ea sacramenta extra aecclesiam celebrata, licet
quantum adformam sacramentalem sint integra, sicut integra est aliquando manus amputata, tarnen
a virtute sancti Spiritus ita sunt vacua, sicut ab humano sensu et spiritu manus amputata. Gerhoch
von Reichersberg, Epistola ad Innocentium papam, ed. Sackur, MGH Ldl 3, S. 211 und S. 216.
324 Quin etiam si Deus apparet his, qui fidem habent in illum, profecto patet Spiritum sanctum nec
apparere symoniacis, quiperfidis et mendacio impugnant illum. Humbert von Silva Candida, Libri
III adversos Simoniacos, ed. Thaner, MGH Ldl 1, lib. 2, cap. 9, S. 149. Vgl. Laudage, Priesterbild
und Reformpapsttum, S. 246-247.
325 Effectus itaque benedictionis non in merito sacerdotis constat, sed hunc invocatio divini nominis
administrat, ut quod ex ore sonet hominis, virtus impleat Creatoris, et per indigni saepe hominis
ministerium divina virtus suum veraciter efficiat sacramentum. Petrus Damiani, De sacramentis
per improbos administratis, Migne PL 145, Sp. 526.
326 Ein entsprechender Kanon über die Duldung von Weihen durch Simonisten bei Unwissenheit und
untadeliger Lebensführung des Empfängers Endet sich auch bereits im Konzil von Piacenza 1095
unter der Leitung von Urban II. Ausschnitte aus diesen Konzilsbeschlüssen wurden vom zeitge-
nössischen Kopisten in der Handschrift Clm 5129 direkt im Anhang an das Opusculum eingefügt:
München, BSB, Clm 5129, fol. 85v-86r (Urbani II. Concilium Placentinum, ed. Weiland, MGH
Const. 1, Nr. 393, c. 1-7, 15, S. 561-563). Ein klarer Beschluss hinsichtlich der Gültigkeit der Hä-
retikersakramente in Bezug auf die Taufe findet sich erstmals im vierten Laterankonzil von 1215:
Conciliorum oecumenicorum decreta II, Concilium Lateranense a. 1215, ed. Wohlmuth/Sunnus,
c. 1, S. 230-231. Vgl. außerdem Rieger, Kirchenreform und Theologiekritik, S. 144; Laudage,
Priesterbild und Reformpapsttum, S. 315; Landgraf, Dogmengeschichte, S. 147-158.