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Gerhohus; Becker, Julia [Hrsg.]; Insley, Thomas [Übers.]
Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio Dei: die¬ Apostel als Ideal : Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Einleitung, Verzeichnisse und Edition mit Übersetzung Opusculum de aedificio Dei — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.65331#0030
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2.1 Entstehungszeit und -ort

29

Eigenschaft im monastischen Tugendkatalog dem christlich geprägten mittelalter-
lichen Autor quasi vorschrieb.110 Konkret steht der Topos der Bescheidenheit hier mit
dem Auftragstopos in Verbindung.111 Durch das Verweisen auf seine eigene Ungeeig-
netheit ruft Gerhoch seinen Auftrag- und Titelgeber Konrad von Regensburg in die
Verantwortung für das Geschriebene und in die Pflicht für den Schutz gegen eventu-
elle Angriffe.112 Seine eigene Person stellt er dabei hinter den Dienst an der Wahrheit
zurück.
Ebenfalls zur Absicherung seiner rigorosen Forderungen auf Reform des Welt-
klerus dienen Gerhoch die zahlreichen Zitate aus patristischen und kanonistischen
Autoritäten, die er am Rand des Haupttextes aufführt und die das Außergewöhnliche
an der literarischen Konzeption des Opusculum darstellen. Gerhoch schreibt, dass er
diese Autoritäten, denen man nichts hinzufügen und von denen man nichts entfernen
dürfe, - falls passend - direkt in den Text inseriert oder am Rand des Textes beige-
fügt habe.113 Diese Randglossen waren seiner Meinung nach essentiell für das Ver-
ständnis seines Werkes und die Befestigung von Gottes Bauwerk, daher legte er äu-
ßersten Wert darauf, dass sie bei einer späteren Abschrift nicht verloren gingen:
„Aber weil Du, teuerster Bruder im Herrn, dessen Liebe ich alles schulde, was ich mit
Unterstützung Gottes vermag, jene Schrift forderst, damit Du sie lesen und vielleicht
abschreiben kannst, und es geschehen kann, dass ein einmal ausgestoßenes Wort
unwiderruflich entfliegt, bitte ich Dich, dass Du Sorge trägst, die Autoritäten, die ich
an der Seite beigefügt habe, ebenfalls beizufügen, damit unser Bauwerk mit diesen
gleichsam wie mit vertäfelten, festen Mauern befestigt wird .. ,“114
Die Anweisungen des Autors bezüglich der Rezeption seines Textes, die sich in Wid-
mungsvorreden, Bitten um Verbesserung, Autoritätenzitaten sowie Anleitungen für
die Verbreitung und Vervielfältigung seiner Schriften äußern, sind klar und deuten
zunächst auf eine durchdachte Konzeption hin. Die innere Konzeption des Textes
110 Allgemein zur Topik der Widmungsbriefe und Prologe vgl. Simon, Untersuchungen zur Topik, in:
Archiv für Diplomatik 4 (1958), S. 52-119 und 5-6 (1959-1960), S. 73-153, hier besonders S. 146;
Bourgain, Les prologues des textes narratifs, S. 245-273; Dahan, Les prologues des commentaires
bibliques, S. 427-470, zu Gerhoch S. 446.
111 Vgl. hierzu Pratsch, Der hagiographische Topos, S. 26-27.
112 Vgl. Simon, Untersuchungen zur Topik, in: Archiv für Diplomatik 5-6 (1959-1960), S. 150-151.
113 Auctoritates uero patrum, quibus nec addi nec decerpi quicquam licuit, partim textui sermonis
nostri competenter inseruimus, partim in latere apposuimus. Gerhoch von Reichersberg, De aedi-
ficio Dei, 1. Prolog, S. 130-132. Zum Anspruch Gerhochs auf Unveränderbarkeit der Autoritäten-
zitate vgl. ausführlich Einleitung, Kap. 3.1.
114 Verum quia tu, frater in Domino karissime, cuius caritati omnia debeo, que adiuuante Deo pos-
sum, postulas istum libellum tibi legendum et fortasse transscribendum, atque ita potest continge-
re, ut semel emissum uolet irreuocabile uerbum: Rogo te, ut auctoritates, quas ex latere apposui,
tu quoque eures apponere, ut ex his quasi tabulatis uel muris firmis muniatur nostrum edificium ...
Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, 1. Prolog, S. 128-130.
 
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