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Über das Bauwerk Gottes - 1. Prolog
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designierte Bischof von Freising2 soll einer von diesen sein. Ihm musst Du
sorgfältig unter vier Augen anraten, dass er, wenn er es für würdig erachtet
aus unserem Brunnen zu trinken, dem Rat der Weisheit folgen soll, die
spricht: Gib nicht Königen Wein, o Lamuel, weil es kein Geheimnis gibt, wo
Trunkenheit regiert: damit sie nicht zu viel trinken, das Recht vergessen und 5
die Sache der Kinder des Armen verdrehen. Herrschen nicht die
hochmütigen Weltgeistlichen wie Könige? Vergessen sie nicht oft, trunken
durch viel Wissenschaft, das Recht und verdrehen die Sache der Kinder des
Armen, das heißt der Kinder von jenem, der, obwohl er reich war, für uns
arm wurde, damit wir durch seine Armut reich seien, nicht durch das 10
habgierige Streben nach eigenem Gewinn im kirchlichen Dienst, sondern
durch Verlangen in frommem Begehren allein nach dem, was im Himmel
ist? Jene aber gieren in kirchlichen Ämtern nach irdischem Gewinn,
während die Liebe zu den himmlischen Begehren erkaltet. Sie vergessen
wirklich das Recht und verdrehen die Sache der Kinder des Armen. Die 15
Gnade des Herrn, das heißt die Almosen, verwenden sie für ihre eigene
Prunksucht und die Armen des armen Christus werden völlig vernachlässigt.
Dass jener Bischof, der von Gott geliebt werden soll, in deren Gemeinschaft
gerät und gleichsam Hohepriester jenes Jahres wird, in dem Christus
gekreuzigt wurde, dem musst Du frühzeitig und rasch zuvorkommen und 20
entgegenwirken. Dies wird vielleicht auf angemessene Weise durch das
Lesen dieser Schrift geschehen können. Wenn diese von Dir und ihm mit
den anderen Freunden der Wahrheit dankbar aufgenommen wird, unter
Verachtung des Urteils der Ungläubigen, werde ich im Herrn Dank sagen,
dass ich glücklich bei frommen Gemütern Aufnahme gefunden habe, und 25
ich werde, begünstigt von der Gnade Gottes, den Namen dieses Brunnens
ändern, so dass derjenige, der zuvor „Verleumdung“ oder „Feindseligkeit“
genannt wurde, hierauf „Weiter Raum“ genannt wird. Dies war der Name
2> Otto von Freising, auch Otto I. von Österreich (* um 1112, ? 22. September 1158),
Geschichtsschreiber, Bischof von Freising von 1138 bis 1158. Er bemühte sich um die
Erneuerung des kirchlichen Lebens in der Freisinger Diözese und setzte dort Regularkanoniker
ein. Seit seiner Zeit war Rottenbuch im Besitz des ständigen Archidiakonats für den Süden der
Freisinger Diözese. Vgl. EHLERS, Otto von Freising, S. 132-150; KlRCHNER-FEYERABEND, Otto
von Freising, S. 107-121; CLASSEN, Gerhoch, S. 22.
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Über das Bauwerk Gottes - 1. Prolog
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designierte Bischof von Freising2 soll einer von diesen sein. Ihm musst Du
sorgfältig unter vier Augen anraten, dass er, wenn er es für würdig erachtet
aus unserem Brunnen zu trinken, dem Rat der Weisheit folgen soll, die
spricht: Gib nicht Königen Wein, o Lamuel, weil es kein Geheimnis gibt, wo
Trunkenheit regiert: damit sie nicht zu viel trinken, das Recht vergessen und 5
die Sache der Kinder des Armen verdrehen. Herrschen nicht die
hochmütigen Weltgeistlichen wie Könige? Vergessen sie nicht oft, trunken
durch viel Wissenschaft, das Recht und verdrehen die Sache der Kinder des
Armen, das heißt der Kinder von jenem, der, obwohl er reich war, für uns
arm wurde, damit wir durch seine Armut reich seien, nicht durch das 10
habgierige Streben nach eigenem Gewinn im kirchlichen Dienst, sondern
durch Verlangen in frommem Begehren allein nach dem, was im Himmel
ist? Jene aber gieren in kirchlichen Ämtern nach irdischem Gewinn,
während die Liebe zu den himmlischen Begehren erkaltet. Sie vergessen
wirklich das Recht und verdrehen die Sache der Kinder des Armen. Die 15
Gnade des Herrn, das heißt die Almosen, verwenden sie für ihre eigene
Prunksucht und die Armen des armen Christus werden völlig vernachlässigt.
Dass jener Bischof, der von Gott geliebt werden soll, in deren Gemeinschaft
gerät und gleichsam Hohepriester jenes Jahres wird, in dem Christus
gekreuzigt wurde, dem musst Du frühzeitig und rasch zuvorkommen und 20
entgegenwirken. Dies wird vielleicht auf angemessene Weise durch das
Lesen dieser Schrift geschehen können. Wenn diese von Dir und ihm mit
den anderen Freunden der Wahrheit dankbar aufgenommen wird, unter
Verachtung des Urteils der Ungläubigen, werde ich im Herrn Dank sagen,
dass ich glücklich bei frommen Gemütern Aufnahme gefunden habe, und 25
ich werde, begünstigt von der Gnade Gottes, den Namen dieses Brunnens
ändern, so dass derjenige, der zuvor „Verleumdung“ oder „Feindseligkeit“
genannt wurde, hierauf „Weiter Raum“ genannt wird. Dies war der Name
2> Otto von Freising, auch Otto I. von Österreich (* um 1112, ? 22. September 1158),
Geschichtsschreiber, Bischof von Freising von 1138 bis 1158. Er bemühte sich um die
Erneuerung des kirchlichen Lebens in der Freisinger Diözese und setzte dort Regularkanoniker
ein. Seit seiner Zeit war Rottenbuch im Besitz des ständigen Archidiakonats für den Süden der
Freisinger Diözese. Vgl. EHLERS, Otto von Freising, S. 132-150; KlRCHNER-FEYERABEND, Otto
von Freising, S. 107-121; CLASSEN, Gerhoch, S. 22.