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Über das Bauwerk Gottes - 14. Kapitel
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Königreiche mit Kirchengut bereicherten, sondern sie durch den Glauben
bezwangen. Diese füllten auch nicht die Rachen von Löwen, das heißt der
mächtigsten Könige, mit den für die Armen bestimmten Mitteln, sondern
verstopften sie mit dem Wort der Wahrheit. Es erfreut jedoch, den Augen
und Ohren aller Bischöfe einzuprägen, dass der heilige Ambrosius beim 5
Kaiser selbst, dem er den Zugriff auf Kirchengut gänzlich untersagte, den er
auch für seine Sünde so offen tadelte, dass er ihm den Eintritt in die Kirche
verwehrte, bis er ihn durch eine öffentliche Buße mit der Kirche
aussöhnte,24 bei ihm, sage ich, den er nicht gegen die Wahrheit schonte, so
großen Einfluss und Wertschätzung genoss, dass es offenkundig war, dass 10
den Kaiser die Furcht vor jenem niederdrückte, der in dem heiligen Bischof
die Herrlichkeit Jakobs sah, die er liebte. So wie nämlich gelesen wird, dass
Jakob, als er vor Laban floh, diesen keineswegs über die Töchter und das
übrige zu ihm Gehörende um Rat fragte, so sorgte sich Ambrosius bei der
Seelsorge und der Verwaltung des Kirchenguts nicht darum, Rücksicht auf 15
den Kaiser zu nehmen, so sehr, dass er für ohne Gerichtsprozess auf Befehl
des Kaisers vollzogene Tötungen dem Kaiser eine öffentliche Buße
auferlegte und, wenn dieser etwas vom Kirchengut forderte, es ihm ohne
Zögern verweigerte. Dabei erklärte er, dass alles, was sowohl er selbst als
auch die Kirche besaßen, den Armen gehöre, und deshalb sagte er: Mir ist es 20
nicht erlaubt, es zu übergeben, und Dir, Kaiser, nicht zuträglich, es zu
empfangen. Wer also hat diese Erlaubnis, die jener nicht hatte, den heutigen
Bischöfen gegeben, die nicht nur die Gott als Opfer dargebrachten
Landgüter, sondern auch die Zehnten selbst, die durch die Autorität sowohl
des Alten als auch des Neuen Testaments für den Gottesdienst geheiligt 25
wurden, so an Krieger übergeben haben, als ob das begonnen habe, erlaubt
zu sein, von dem der heilige Ambrosius bestritt, dass es erlaubt ist? Jener
hielt es für einen Frevel, das Gut der Armen nicht für die Armen zu
verwenden; die heutigen Bischöfe halten es nicht für frevelhaft, sondern für
24> Ambrosius zwang Kaiser Theodosius I. (379-395) im Jahr 390 unter Androhung der
Exkommunikation zur öffentlichen Buße für das Massaker von Thessaloniki. Vgl. hierzu
ERNESTI, Princeps christianus, S. 174-193; LEPPIN, Theodosius der Große, S. 153-167.
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Über das Bauwerk Gottes - 14. Kapitel
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Königreiche mit Kirchengut bereicherten, sondern sie durch den Glauben
bezwangen. Diese füllten auch nicht die Rachen von Löwen, das heißt der
mächtigsten Könige, mit den für die Armen bestimmten Mitteln, sondern
verstopften sie mit dem Wort der Wahrheit. Es erfreut jedoch, den Augen
und Ohren aller Bischöfe einzuprägen, dass der heilige Ambrosius beim 5
Kaiser selbst, dem er den Zugriff auf Kirchengut gänzlich untersagte, den er
auch für seine Sünde so offen tadelte, dass er ihm den Eintritt in die Kirche
verwehrte, bis er ihn durch eine öffentliche Buße mit der Kirche
aussöhnte,24 bei ihm, sage ich, den er nicht gegen die Wahrheit schonte, so
großen Einfluss und Wertschätzung genoss, dass es offenkundig war, dass 10
den Kaiser die Furcht vor jenem niederdrückte, der in dem heiligen Bischof
die Herrlichkeit Jakobs sah, die er liebte. So wie nämlich gelesen wird, dass
Jakob, als er vor Laban floh, diesen keineswegs über die Töchter und das
übrige zu ihm Gehörende um Rat fragte, so sorgte sich Ambrosius bei der
Seelsorge und der Verwaltung des Kirchenguts nicht darum, Rücksicht auf 15
den Kaiser zu nehmen, so sehr, dass er für ohne Gerichtsprozess auf Befehl
des Kaisers vollzogene Tötungen dem Kaiser eine öffentliche Buße
auferlegte und, wenn dieser etwas vom Kirchengut forderte, es ihm ohne
Zögern verweigerte. Dabei erklärte er, dass alles, was sowohl er selbst als
auch die Kirche besaßen, den Armen gehöre, und deshalb sagte er: Mir ist es 20
nicht erlaubt, es zu übergeben, und Dir, Kaiser, nicht zuträglich, es zu
empfangen. Wer also hat diese Erlaubnis, die jener nicht hatte, den heutigen
Bischöfen gegeben, die nicht nur die Gott als Opfer dargebrachten
Landgüter, sondern auch die Zehnten selbst, die durch die Autorität sowohl
des Alten als auch des Neuen Testaments für den Gottesdienst geheiligt 25
wurden, so an Krieger übergeben haben, als ob das begonnen habe, erlaubt
zu sein, von dem der heilige Ambrosius bestritt, dass es erlaubt ist? Jener
hielt es für einen Frevel, das Gut der Armen nicht für die Armen zu
verwenden; die heutigen Bischöfe halten es nicht für frevelhaft, sondern für
24> Ambrosius zwang Kaiser Theodosius I. (379-395) im Jahr 390 unter Androhung der
Exkommunikation zur öffentlichen Buße für das Massaker von Thessaloniki. Vgl. hierzu
ERNESTI, Princeps christianus, S. 174-193; LEPPIN, Theodosius der Große, S. 153-167.