Metadaten

Gerhohus; Becker, Julia [Editor]; Insley, Thomas [Transl.]
Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio Dei: die¬ Apostel als Ideal : Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Einleitung, Verzeichnisse und Edition mit Übersetzung Opusculum de aedificio Dei — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.65331#0522
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
5
10
15
20
25
30

Über das Bauwerk Gottes - 170. Kapitel

521

Ivo242, der Bischof von Chartres diese ungerechte Aneignung von Zehnten
in einem seiner Briefe behandelte,243 verstärkte er fürwahr die Gefahr einer
solchen Ungerechtigkeit für das Seelenheil, wenn sich der Mönch, obwohl
er nicht dient, den für den Dienst bestimmten Unterhalt anmaßt; aber
dennoch billigt Ivo nicht, dass die den Äbten unterstellten Mönche ihre Äbte 5
wegen eines Rechtsbruchs dieser Art verlassen. Die Mönche werden vor
Gott Vergebung erlangen können, wenn sie dieses Übel mit
Rechtschaffenheit missbilligen und, wenn sie es nicht beenden können, mit
umsichtigem Widerspruch ertragen. Dies stimmt aber offenkundig mit dem
von Moses gegebenem göttlichen Gesetz überein, das erlaubt, bei 10
zwingender Not Aas zu tragen, nämlich so, dass derjenige, der das Aas
trägt, nur für rein gehalten wird, nachdem er seine Kleider mit Wasser
gewaschen hat. So wird auch dieser Mönch, der wegen seiner
Verpflichtung, die Ortsgebundenheit einzuhalten, eine nicht von ihm selbst,
sondern von anderen begangene Todsünde trägt, von uns für rein gehalten, 15
jedoch nur wenn er sich aus Schmerz über diese Notwendigkeit mit Tränen
der Buße wäscht und mit Tränen und häufigem Schluchzen bezeugt, dass er
aus Not, nicht freiwillig das Aas trägt, so dass er wegen der Not gemäß dem
Gesetz Gottes Vergebung verdient. Und das Gesetz gestattet nämlich nicht,
ohne Not Aas zu berühren oder zu tragen. Deshalb sehe ich nicht, wie jene 20
Brüder und besonders die Vorsteher der Mönchs- oder
Kanonikergemeinschaften verteidigt werden können, die zum Begehen eines
Rechtsbruchs dieser Art nicht so sehr die Not zwingt als vielmehr die eigene
Begierde erregt. Diese könnten auch, wenn sie wollten, dieses Aas, durch
dessen Berührung die schwache Seele befleckt wird, gänzlich aus ihrer 25
Mitte entfernen, damit auf sie keineswegs jene Klage des Herrn zutrifft, mit
der er über den Propheten, der den sich selbst nährenden Hirten Wehe
wünschte, sagte: Ihr habt die Milch getrunken und euch mit Wolle bedeckt;
und meine Schafe sind ausgeplündert worden. Fürwahr würden sie sich,
wenn sie sich vor dieser Beschimpfung hüten würden, auch vor jenem 30

242> Ivo (* um 1040, l 23. Dezember 1115/1116), Bischof von Chartres (1090-1115/1116),
Propst des Chorherrenstiftes St. Quentin in Beauvais. Vgl. BECKER, Art. „Ivo von Chartres“, Sp.
839-840. | 243> Ivo von Chartres, Decretum III, 184, Migne PL 161, Sp. 284.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften