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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0070
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Stellenkommentar AC 6, KSA 6, S. 171-172 47

tion, plus eclatante en devient la necessite de la religion que veut prouver
l'apologiste." (Von N. teilweise am Rand markiert; „la corruption de cette belle
raison" von ihm unterstrichen. „Ich werde davon bloß ein einziges Beispiel
zitieren. Damit würde die Frage nach den unzähligen Entlehnungen Pascals
bei Montaigne beendet, um sie mit seinem originalen und tiefen Abdruck zu
markieren; ich spreche von der Frage nach der Verwendung, die er davon für
seine Apologie der christlichen Religion machte. Wie oft hat man sich gefragt,
ob er sie abgeschrieben hat, um damit seinen eigenen Beweisen zu mehr Recht
zu verhelfen oder im Gegenteil, um /55/ Montaigne zu bekämpfen und zu
widerlegen? ,Es gibt ohne Zweifel natürliche Gesetze, aber diese schöne, ver-
dorbene Vernunft hat alles verdorben. Ex senatusconsultis et plebiscitis crimina
exercentur.' Spricht hier Montaigne oder Pascal? Und die Frage in dieser Weise
gestellt, bei dem Maß an Unfertigkeit, in welchem die Pensees auf uns gekom-
men sind, bleibt in der Tat unbeantwortbar. Aber die Frage beantwortet sich
oder verflüchtigt sich und stellt sich nicht, wenn wir einmal vom Pessimismus
Pascals überzeugt sind. Denn die Verderbnis dieser schönen Vernunft ist in
diesem Fall sein Dogma; und je tiefgreifender die Verderbnis ist, desto offen-
sichtlicher wird die Notwendigkeit der Religion, was der Apologet beweisen
will.") Die Quintessenz von Pascals Denken ist für Brunetiere 1887b, 53 die
Lehre von der Erbsünde, womit der christliche Apologet in der Tradition von
Augustinus steht. Vgl. zur Brunetiere-Lektüre NK KSA 6, 94, 28-30, Kuhn 1989
(ebd., 615 diese Stelle nachgewiesen) sowie Piazzesi 2000; Literatur- und Quel-
lenhinweise zu N.s Pascal-Lektüren bei Sommer 2000a, 111, Fn. 275.

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172, 2-6 Es ist ein schmerzliches, ein schauerliches Schauspiel, das mir aufge-
gangen ist: ich zog den Vorhang weg von der Verdorbenheit des Menschen.
Dies Wort, in meinem Munde, ist wenigstens gegen Einen Verdacht geschützt:
dass es eine moralische Anklage des Menschen enthält.] Auffällig ist die Theater-
metaphorik: Die Verdorbenheit, vor der das erneut auftretende „Ich" „den Vor-
hang" (172, 3) wegzieht, ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Das „Ich" selbst
steht unkorrumpiert außerhalb des Geschehens. N. inszeniert in Umwertungs-
absicht die Schmach seines Zeitalters als Drama.
172, 7 moralinfrei] Vgl. NK KSA 6, 18, 19.
172, 8-10 jene Verdorbenheit gerade dort von mir am stärksten empfunden
wird, wo man bisher am bewusstesten zur „ Tugend", zur „Göttlichkeit" aspirirte]
Also besonders im Christentum, aber überhaupt im Felde der Moral.
 
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