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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0102
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Stellenkommentar AC 13, KSA 6, S. 178-179 79

dieser Vorschulung ab und wird ein Bedürfniß für sich, ein Hunger nach Pro-
blemen, — das Mittel selbst wird Zweck. — Wissenschaftlichkeit ist der Aus-
druck altvererbter Solidität virtü und Feinheit im Denken und Handeln. Man
findet deshalb die Genies der Wissenschaft fast ausschließlich unter den Nach-
kommen der Handwerker, der Handelsleute, der Ärzte, der Advokaten: der
Sohn eines Juden hat keine kleine Wahrscheinlichkeit, ein tüchtiger Gelehrter
zu werden. Dagegen werden aus Söhnen von Pfarrern — Philosophen" (KSA 14,
438).
Die Signifikanz dieses schließlich gestrichenen Gedankensganges liegt —
neben der Personalisierung eines vermeintlich abstrakten Sachverhalts — ers-
tens in der unvorhersehbaren Übertragung des angestammten gewerblichen
Interesses auf ein wissenschaftliches; zweitens in der unüberbrückbaren Kluft
zwischen „Herkunft" der Wissenschaft und „Herkunft" der Philosophie; drit-
tens schließlich in der selbstironischen Dimension: Der Philosoph N. ist
bekanntlich Pfarrerssohn. Freilich fügt sich dieser schließlich gestrichene Pas-
sus mit seiner deskriptiven, am Ende schalkhaften Tendenz nur schwer in den
Kriegslärm des theologie- und philosophiekritischen Kontexts ein. So bemer-
kenswert die skizzierte Wissenschaftsgenealogie in ihrer Antithetik zur Philoso-
phiegenealogie für sich genommen ist, hätte sie doch die Intensität der Pole-
mik durch Horizonterweiterung geschmälert.

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In Mp XVI 4 lautet eine frühere Fassung dieses Abschnitts: „Die werthvollsten
Einsichten wurden am spätesten gefunden; aber die werthvollste Einsicht sind
die Methoden. Alle Methoden, alle Voraussetzungen unsrer jetzigen Wissen-
schaftlichkeit, haben Jahrtausende lang die tiefste Verachtung gegen sich
gehabt, auf sie hin war man aus dem Verkehr mit honnetten Menschen ausge-
schlossen, — man galt als ,Feind Gottes', als Verächter der Wahrheit, als
,Besessener'. Als wissenschaftlicher Charakter war man Tschandala... Wir
haben das ganze Pathos der Menschheit gegen uns gehabt — ihren Begriff von
dem, was Wahrheit sein soll, was der Dienst der Wahrheit sein soll: unsre
Objekte, unsre Praktiken, unsre stille vorsichtige, mißtrauische Art — Alles
schien ihr vollkommen unwürdig und verächtlich. — Es scheint, als ob da ein
Gegensatz erreicht, ein Sprung gemacht worden sei. Aber so redet nur der
Augenschein. In Wahrheit hat jene Schulung durch Hyperbeln selbst Schritt
für Schritt jenes Pathos milderer Art vorbereitet, das als wissenschaftlicher
Charakter heute leibhaft wird und zu Ehren kommt. Die Gewissenhaftigkeit im
Kleinen, die rigoröse Selbstcontrole des religiösen Menschen war eine Vor-
 
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