Stellenkommentar AC 14, KSA 6, S. 179-180 83
sieht — und wendet ihren Stachel gegen die traditionellen metaphysisch-
christlichen Wahrheitshüter, die zu wissen behaupten, was sie gar nicht wissen
können. In 179, 29 f. wird exemplarisch nicht nur vorgeführt, wie sich etwas
traditionell christlich Konnotiertes antichristlich usurpieren lässt, sondern
auch die Konsequenz der Selbstapplikation einer vermeintlich christlichen
Tugend, die zur Auflösung aller vorgeblichen christlichen Wahrheiten führt.
Worin die neue Bescheidenheit besteht, erläutert AC 14, KSA 6, 180 f.
179, 30 f. diese Truthähne Gottes] Das Wort „Truthahn" oder „Truthuhn"
kommt in N.s Werken sonst nirgendwo vor. Grimm 1854-1971, 22, 1433 führt
„Truthahn" als „bild" „für einen prahlerischen, eingebildeten, hochmütigen
menschen" an, wobei als Beleg neben Christian Weise, Jean Paul, Görres und
Fontane auch 179, 31 genannt wird. Die Leser von AC 13 sollen die „Theologen"
als eingebildete, stolze Gockel entlarven, die doch eigentlich nur degenerierte,
flugunfähige Zuchttiere sind.
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180, 2-5 umgelernt. Wir sind in allen Stücken bescheidner geworden. Wir leiten
den Menschen nicht mehr vom „Geist", von der „Gottheit" ab, wir haben ihn
unter die Thiere zurückgestellt] In Mp XVI 4: „den Menschen unter die Thiere
zurückgestellt, wir sind bescheidner geworden" (KSA 14, 440).
180, 2 f. Wir sind in allen Stücken bescheidner geworden.] Vgl. NK 179, 29 f. Die
„Bescheidenheit" der „freien Geister" (AC 13) gewinnt jetzt konkrete Gestalt:
Sie beraubt den Menschen seiner metaphysischen Bestimmung und degradiert
ihn zu einem Tier unter Tieren. Die „Wir" begreifen sich als Sachwalter einer
naturalistischen Desillusionierung. Was dem Menschen nach metaphysischer
Überzeugung zur höchsten Ehre gereichte, dass er nämlich ein animal ratio-
nale, ein vernunftbegabtes Lebewesen sei, wird in AC 14 gegengelesen als
Symptom seiner Krankhaftigkeit. Ob es freilich wirklich „bescheidener" ist,
den Menschen ganz unabhängig von Gott zu denken, sei dahingestellt. Chris-
ten würden gerade dies als Hybris interpretieren.
180, 3-9 Wir leiten den Menschen nicht mehr vom „Geist", von der „Gottheit"
ab, wir haben ihn unter die Thiere zurückgestellt. Er gilt uns als das stärkste
Thier, weil er das listigste ist: eine Folge davon ist seine Geistigkeit. Wir wehren
uns anderseits gegen eine Eitelkeit, die auch hier wieder laut werden möchte:
wie als ob der Mensch die grosse Hinterabsicht der thierischen Entwicklung
gewesen sei.] Dass der Mensch keinen Sonderstatus im Gesamtgefüge der Welt
sieht — und wendet ihren Stachel gegen die traditionellen metaphysisch-
christlichen Wahrheitshüter, die zu wissen behaupten, was sie gar nicht wissen
können. In 179, 29 f. wird exemplarisch nicht nur vorgeführt, wie sich etwas
traditionell christlich Konnotiertes antichristlich usurpieren lässt, sondern
auch die Konsequenz der Selbstapplikation einer vermeintlich christlichen
Tugend, die zur Auflösung aller vorgeblichen christlichen Wahrheiten führt.
Worin die neue Bescheidenheit besteht, erläutert AC 14, KSA 6, 180 f.
179, 30 f. diese Truthähne Gottes] Das Wort „Truthahn" oder „Truthuhn"
kommt in N.s Werken sonst nirgendwo vor. Grimm 1854-1971, 22, 1433 führt
„Truthahn" als „bild" „für einen prahlerischen, eingebildeten, hochmütigen
menschen" an, wobei als Beleg neben Christian Weise, Jean Paul, Görres und
Fontane auch 179, 31 genannt wird. Die Leser von AC 13 sollen die „Theologen"
als eingebildete, stolze Gockel entlarven, die doch eigentlich nur degenerierte,
flugunfähige Zuchttiere sind.
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180, 2-5 umgelernt. Wir sind in allen Stücken bescheidner geworden. Wir leiten
den Menschen nicht mehr vom „Geist", von der „Gottheit" ab, wir haben ihn
unter die Thiere zurückgestellt] In Mp XVI 4: „den Menschen unter die Thiere
zurückgestellt, wir sind bescheidner geworden" (KSA 14, 440).
180, 2 f. Wir sind in allen Stücken bescheidner geworden.] Vgl. NK 179, 29 f. Die
„Bescheidenheit" der „freien Geister" (AC 13) gewinnt jetzt konkrete Gestalt:
Sie beraubt den Menschen seiner metaphysischen Bestimmung und degradiert
ihn zu einem Tier unter Tieren. Die „Wir" begreifen sich als Sachwalter einer
naturalistischen Desillusionierung. Was dem Menschen nach metaphysischer
Überzeugung zur höchsten Ehre gereichte, dass er nämlich ein animal ratio-
nale, ein vernunftbegabtes Lebewesen sei, wird in AC 14 gegengelesen als
Symptom seiner Krankhaftigkeit. Ob es freilich wirklich „bescheidener" ist,
den Menschen ganz unabhängig von Gott zu denken, sei dahingestellt. Chris-
ten würden gerade dies als Hybris interpretieren.
180, 3-9 Wir leiten den Menschen nicht mehr vom „Geist", von der „Gottheit"
ab, wir haben ihn unter die Thiere zurückgestellt. Er gilt uns als das stärkste
Thier, weil er das listigste ist: eine Folge davon ist seine Geistigkeit. Wir wehren
uns anderseits gegen eine Eitelkeit, die auch hier wieder laut werden möchte:
wie als ob der Mensch die grosse Hinterabsicht der thierischen Entwicklung
gewesen sei.] Dass der Mensch keinen Sonderstatus im Gesamtgefüge der Welt