84 Der Antichrist. Fluch auf das Christenthum
beanspruchen könne, ist im Zuge des Darwinismus eine zu N.s Zeit bereits
weit verbreitete Ansicht, vgl. z. B. die von N. gerne benutzte Culturgeschichte
Friedrich von Hellwalds: „Wie aus dieser Darstellung erhellt, kann der Mensch
in keiner Weise von den übrigen Wesen der belebten Schöpfung getrennt wer-
den. Er steht mitten inne gleichwie jedes andere Geschöpf. Es ist daher auch
vergebliches Beginnen für ihn eine Sonderstellung zu beanspruchen." (Hell-
wald 1876, 1, 6) Von einer dualistischen Naturkonzeption hat man sich nach
Hellwald in Richtung eines Monismus verabschiedet. „Ebenso haltlos, ja weni-
ger noch zu begründen, ist der Unterschied zwischen Thier und Mensch. [...].
Schon ist in hohem Grade wahrscheinlich gemacht, dass zwischen den geisti-
gen Fähigkeiten des Menschen und des Thieres kein qualitativer, sondern
nur ein quantitativer Unterschied bestehe" (Hellwald 1876, 1, 7, vgl. ähn-
lich Caspari 1877, 1, 22). In The Descent of Man wollte Charles Darwin zeigen,
„dass zwischen dem Menschen und den höheren Säugethieren kein fundamen-
taler Unterschied in Bezug auf ihre geistigen Fähigkeiten besteht" (Darwin
1871, 1, 29, vgl. ebd., 90). Zur Listigkeit des Tieres Mensch siehe auch NK KSA 6,
131, 1-4 u. NK KSA 6, 377, 18-20.
180, 7 eine] In Mp XVI 4: „die" (KSA 14, 440).
180, 9 Er ist durchaus keine Krone der Schöpfung] So hat die christliche Theolo-
gie die Stellung des Menschen nach Genesis 1-2 und Psalm 8, 6 verstanden,
beispielsweise noch N.s Basler Professorenkollege Karl Rudolf Hagenbach:
„Nach biblischer Lehre ist der Mensch die Krone der Schöpfung, insofern sich
in ihm das Werk derselben abschließt und vollendet (Mikrokosmus)." (Hagen-
bach 1853, 196, § 73).
Während N. mit biologischer Begründung die Gleichstufigkeit aller Lebe-
wesen betont (180, 10 f.), hält der führende deutsche Evolutionsbiologe Ernst
Haeckel in seiner Anthropogenie an der Höherstufigkeit des Menschen und
auch an der — freilich in ironische Anführungszeichen — gesetzten Vorstellung
von der „Krone der Schöpfung" fest: „Als höchstes Entwicklungs-Product die-
ser Säugethier-Linie tritt uns der Mensch entgegen, die sogenannte ,Krone
der Schöpfung'." (Haeckel 1874a, 456) Beim Vorzeigematerialisten Ludwig
Büchner hatte es freilich schon vor der Darwin-Rezeption geheißen, dass sich
„die vorweltliche Schöpfung gar nicht als eine solche einfache Entwickelungs-
reihe von der Monade bis zum Menschen begreifen läßt, und daß die Vorstel-
lung, von der ersten Pflanzenzelle bis hinauf zur Krone der Schöpfung sei
immer das höhere Glied aus dem vorhergehenden niederen hervorgegangen,
eine ganz unhaltbare ist. Vielmehr zeigt uns jene Wissenschaft [sc. die Paläon-
tologie], daß die an Vollkommenheit verschiedensten Pflanzen- und Thiergrup-
pen auf mannichfaltige Weise zu denselben Zeiten durcheinander spielen"
(Büchner 1857, 251).
beanspruchen könne, ist im Zuge des Darwinismus eine zu N.s Zeit bereits
weit verbreitete Ansicht, vgl. z. B. die von N. gerne benutzte Culturgeschichte
Friedrich von Hellwalds: „Wie aus dieser Darstellung erhellt, kann der Mensch
in keiner Weise von den übrigen Wesen der belebten Schöpfung getrennt wer-
den. Er steht mitten inne gleichwie jedes andere Geschöpf. Es ist daher auch
vergebliches Beginnen für ihn eine Sonderstellung zu beanspruchen." (Hell-
wald 1876, 1, 6) Von einer dualistischen Naturkonzeption hat man sich nach
Hellwald in Richtung eines Monismus verabschiedet. „Ebenso haltlos, ja weni-
ger noch zu begründen, ist der Unterschied zwischen Thier und Mensch. [...].
Schon ist in hohem Grade wahrscheinlich gemacht, dass zwischen den geisti-
gen Fähigkeiten des Menschen und des Thieres kein qualitativer, sondern
nur ein quantitativer Unterschied bestehe" (Hellwald 1876, 1, 7, vgl. ähn-
lich Caspari 1877, 1, 22). In The Descent of Man wollte Charles Darwin zeigen,
„dass zwischen dem Menschen und den höheren Säugethieren kein fundamen-
taler Unterschied in Bezug auf ihre geistigen Fähigkeiten besteht" (Darwin
1871, 1, 29, vgl. ebd., 90). Zur Listigkeit des Tieres Mensch siehe auch NK KSA 6,
131, 1-4 u. NK KSA 6, 377, 18-20.
180, 7 eine] In Mp XVI 4: „die" (KSA 14, 440).
180, 9 Er ist durchaus keine Krone der Schöpfung] So hat die christliche Theolo-
gie die Stellung des Menschen nach Genesis 1-2 und Psalm 8, 6 verstanden,
beispielsweise noch N.s Basler Professorenkollege Karl Rudolf Hagenbach:
„Nach biblischer Lehre ist der Mensch die Krone der Schöpfung, insofern sich
in ihm das Werk derselben abschließt und vollendet (Mikrokosmus)." (Hagen-
bach 1853, 196, § 73).
Während N. mit biologischer Begründung die Gleichstufigkeit aller Lebe-
wesen betont (180, 10 f.), hält der führende deutsche Evolutionsbiologe Ernst
Haeckel in seiner Anthropogenie an der Höherstufigkeit des Menschen und
auch an der — freilich in ironische Anführungszeichen — gesetzten Vorstellung
von der „Krone der Schöpfung" fest: „Als höchstes Entwicklungs-Product die-
ser Säugethier-Linie tritt uns der Mensch entgegen, die sogenannte ,Krone
der Schöpfung'." (Haeckel 1874a, 456) Beim Vorzeigematerialisten Ludwig
Büchner hatte es freilich schon vor der Darwin-Rezeption geheißen, dass sich
„die vorweltliche Schöpfung gar nicht als eine solche einfache Entwickelungs-
reihe von der Monade bis zum Menschen begreifen läßt, und daß die Vorstel-
lung, von der ersten Pflanzenzelle bis hinauf zur Krone der Schöpfung sei
immer das höhere Glied aus dem vorhergehenden niederen hervorgegangen,
eine ganz unhaltbare ist. Vielmehr zeigt uns jene Wissenschaft [sc. die Paläon-
tologie], daß die an Vollkommenheit verschiedensten Pflanzen- und Thiergrup-
pen auf mannichfaltige Weise zu denselben Zeiten durcheinander spielen"
(Büchner 1857, 251).