Stellenkommentar AC 15, KSA 6, S. 181-182 93
spiegelt, während sie die Wirklichkeit fälscht, entwerthet, verneint} Bei
Roberty 1887, 266 hat sich N. eine Passage markiert, die von den Theoretikern
des Unerkennbaren sagt, sie verträten die These, wonach „l'homme, pour se
completer et pour completer le monde reel, a toujours besoin d'un monde
imaginaire" („der Mensch, um sich zu vervollständigen und um die reale Welt
zu vervollständigen, immer eine imaginäre Welt nötig hat"). Nach N.s Lesart
in AC 14 dichtet das Christentum nicht bloß Begriffe zu den natürlichen Welter-
klärungen hinzu, um sich leichter mit dieser Welt abzufinden, vermehrt also
die Begriffe über Gebühr, sondern es hat mit der Wirklichkeit überhaupt keine
Berührungspunkte: Es entwerfe eine Gegenwelt, in der sich nicht etwa reale
und irreale Bestandteile verbänden; sie setze sich vielmehr ausschließlich aus
irrealen, „imaginären" Bestandteilen zusammen.
181, 31-182, 2 jene ganze Fiktions-Welt hat ihre Wurzel im Hass gegen das
Natürliche ( — die Wirklichkeit! — ), sie ist der Ausdruck eines tiefen Missbeha-
gens am Wirklichen...] Bei Guyau 1887, 99 hat sich N. die folgende Stelle doppelt
angestrichen: „Quiconque sur terre n'aime pas assez et n'est pas assez aime,
cherchera toujours ä se tourner vers le ciel: cela est regulier comme le Paralle-
logramme des forces." („Wer auch immer auf der Welt nicht genügend liebt
und nicht genügend geliebt wird, versucht sich immer himmelwärts zu wen-
den: dies ist so regelmäßig wie das Parallelogramm der Kräfte.") Ebd., 136
zitiert Guyau Renan mit den Worten: „le sacrifice du reel ä l'ideal, teile est, dit
il, l'essence de la religion" („die Opferung des Realen an das Ideal, dies ist,
sagt er, das Wesen der Religion". N. markiert dies mit einer zweifachen Anstrei-
chung). Den Selbsthass beschreibt Guyau 1887, 171 als treibendes (und zu über-
windendes) Motiv des Asketen: „L'ascete se hait lui-meme; mais il ne faut hair
personne, pas meme soi; il faut comprendre et regier. La haine de soi vient
d'une impuissance de la volonte a diriger les sens; celui qui se possede assez
lui-meme n'a pas lieu de se mepriser." („Der Asket hasst sich selbst; aber man
sollte niemanden hassen, nicht einmal sich selbst; man sollte verstehen und
regeln. Der Hass auf sich selbst kommt vom Unvermögen des Willens, die Sinne
zu lenken; wer sich selbst genügend besitzt, der hat keinen Grund, sich zu
verachten." Von N. mit Ausrufezeichen am Rand markiert.) Roberty 1887, 263
spricht von der materialistischen Religionskritik, die Religion für „terreur
transcendante" halte und die geißle (ebd., 264), dass Religion die dem Men-
schen so nützlichen „tendances naturelles" verurteile, womit sie sich als etwas
„d'anti-humain" erweise.
182, 5-8 Das Übergewicht der Unlustgefühle über die Lustgefühle ist die Ursa-
che jener fiktiven Moral und Religion: ein solches Übergewicht giebt aber die
Formel ab für decadence...] N. begibt sich in 182, 5-8 auf die Suche nach
spiegelt, während sie die Wirklichkeit fälscht, entwerthet, verneint} Bei
Roberty 1887, 266 hat sich N. eine Passage markiert, die von den Theoretikern
des Unerkennbaren sagt, sie verträten die These, wonach „l'homme, pour se
completer et pour completer le monde reel, a toujours besoin d'un monde
imaginaire" („der Mensch, um sich zu vervollständigen und um die reale Welt
zu vervollständigen, immer eine imaginäre Welt nötig hat"). Nach N.s Lesart
in AC 14 dichtet das Christentum nicht bloß Begriffe zu den natürlichen Welter-
klärungen hinzu, um sich leichter mit dieser Welt abzufinden, vermehrt also
die Begriffe über Gebühr, sondern es hat mit der Wirklichkeit überhaupt keine
Berührungspunkte: Es entwerfe eine Gegenwelt, in der sich nicht etwa reale
und irreale Bestandteile verbänden; sie setze sich vielmehr ausschließlich aus
irrealen, „imaginären" Bestandteilen zusammen.
181, 31-182, 2 jene ganze Fiktions-Welt hat ihre Wurzel im Hass gegen das
Natürliche ( — die Wirklichkeit! — ), sie ist der Ausdruck eines tiefen Missbeha-
gens am Wirklichen...] Bei Guyau 1887, 99 hat sich N. die folgende Stelle doppelt
angestrichen: „Quiconque sur terre n'aime pas assez et n'est pas assez aime,
cherchera toujours ä se tourner vers le ciel: cela est regulier comme le Paralle-
logramme des forces." („Wer auch immer auf der Welt nicht genügend liebt
und nicht genügend geliebt wird, versucht sich immer himmelwärts zu wen-
den: dies ist so regelmäßig wie das Parallelogramm der Kräfte.") Ebd., 136
zitiert Guyau Renan mit den Worten: „le sacrifice du reel ä l'ideal, teile est, dit
il, l'essence de la religion" („die Opferung des Realen an das Ideal, dies ist,
sagt er, das Wesen der Religion". N. markiert dies mit einer zweifachen Anstrei-
chung). Den Selbsthass beschreibt Guyau 1887, 171 als treibendes (und zu über-
windendes) Motiv des Asketen: „L'ascete se hait lui-meme; mais il ne faut hair
personne, pas meme soi; il faut comprendre et regier. La haine de soi vient
d'une impuissance de la volonte a diriger les sens; celui qui se possede assez
lui-meme n'a pas lieu de se mepriser." („Der Asket hasst sich selbst; aber man
sollte niemanden hassen, nicht einmal sich selbst; man sollte verstehen und
regeln. Der Hass auf sich selbst kommt vom Unvermögen des Willens, die Sinne
zu lenken; wer sich selbst genügend besitzt, der hat keinen Grund, sich zu
verachten." Von N. mit Ausrufezeichen am Rand markiert.) Roberty 1887, 263
spricht von der materialistischen Religionskritik, die Religion für „terreur
transcendante" halte und die geißle (ebd., 264), dass Religion die dem Men-
schen so nützlichen „tendances naturelles" verurteile, womit sie sich als etwas
„d'anti-humain" erweise.
182, 5-8 Das Übergewicht der Unlustgefühle über die Lustgefühle ist die Ursa-
che jener fiktiven Moral und Religion: ein solches Übergewicht giebt aber die
Formel ab für decadence...] N. begibt sich in 182, 5-8 auf die Suche nach