Stellenkommentar AC 18, KSA 6, S. 184-185 107
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185, 2 f. Gott als Spinne] Vgl. NK 184, 23-31 und Menzel 1870, 1, 42 (auf dersel-
ben Seite werden auch die Hyperboreer behandelt): „Im indischen Oupnakhat
III. 67. IV. 80. spinnt Gott als Spinne alles aus sich heraus. Noch Eriugena, de
div. nat. 3. theilt diese Vorstellung und glaubt, wie Gott alles aus sich habe
hervorgehen lassen, so werde er auch alles wieder in sich hineinziehen." Die
Spinne gilt als Hinter-, ein Unterweltswesen, deren Netzen man sich schwerlich
entzieht. Der mit der Spinne gleichgesetzte Gott ist zwar der Gott der Ohnmäch-
tigen, hat aber seine Netze überall. Bekanntlich wollte derjenige, den man für
den Sohn jenes Spinnengottes hielt, die Fischer, die am galiläischen See ihre
Netze auswarfen, zu „Menschenfischern" machen (Matthäus 4, 19): „Hybris ist
unsre Stellung zu Gott, will sagen zu irgend einer angeblichen Zweck- und
Sittlichkeits-Spinne hinter dem grossen Fangnetz-Gewebe der Ursächlichkeit —
wir dürften wie Karl der Kühne im Kampfe mit Ludwig dem Elften sagen ,je
combats l'universelle araignee"' (GM III 9, KSA 5, 357, 26-30. Die Quelle für
diese Information zu Karl dem Kühnen, dass er im französischen König die
universelle Spinne bekämpfe, ist Paul de Saint-Victors Aufsatzband Hommes et
dieux — Saint-Victor 1867, 144). Gott wird selber zum Metaphysiker, zur Spinne,
weil sich die Metaphysiker seiner angenommen haben, vgl. auch NK 177, 32-
178, 1.
Die Spinne schafft Verbindungen zwischen Dingen, die nichts miteinander
zu tun haben, knüpft Kausalitäten, die es in der Welt nicht gibt, sondern die
erst durch das moralisch-metaphysische Netz ermöglicht werden: „Für die
Spinne ist die Spinne das vollkommenste Wesen; für den Metaphysiker ist Gott
ein Metaphysiker: das heißt, er spinnt..." (NL 1888, KSA 13, 16[58], 505). Bei
Lichtenberg hatte es geheißen — und N. hatte diese Stelle am Rande rot mar-
kiert: „Wir müssen glauben, dass Alles eine Ursache habe, so wie diese Spinne
ihr Netz spinnt, um Fliegen zu fangen. Sie thut dieses, ehe sie weiss, dass es
Fliegen in der Welt gibt." (Lichtenberg 1867, 1, 107, vgl. Stingelin 1996, 181) In
Heines Romantischer Schule heißt es: „In einem abgelegenen Kirchwinkel lag
es lauernd, das Christenthum, wie eine Spinne, und sprang dann und wann
hastig hervor, wenn es ein Kind in der Wiege oder einen Greis im Sarge erha-
schen konnte." (Heine 1869, 240).
185, 3 Gott als Geist] Vgl. z. B. Kaftan 1888, 400: „Gott ist nach christlichem
Glauben überweltlicher persönlicher Geist. Mit diesem Glauben von
Gott steht und fällt die christliche Religion".
185, 5 f. Pegel des Tiefstands in der absteigenden Entwicklung des Götter-Typus]
Auch Feuerbach 1904, 163 will die „Entwicklungs-, d. i. Krankheitsgeschichte
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185, 2 f. Gott als Spinne] Vgl. NK 184, 23-31 und Menzel 1870, 1, 42 (auf dersel-
ben Seite werden auch die Hyperboreer behandelt): „Im indischen Oupnakhat
III. 67. IV. 80. spinnt Gott als Spinne alles aus sich heraus. Noch Eriugena, de
div. nat. 3. theilt diese Vorstellung und glaubt, wie Gott alles aus sich habe
hervorgehen lassen, so werde er auch alles wieder in sich hineinziehen." Die
Spinne gilt als Hinter-, ein Unterweltswesen, deren Netzen man sich schwerlich
entzieht. Der mit der Spinne gleichgesetzte Gott ist zwar der Gott der Ohnmäch-
tigen, hat aber seine Netze überall. Bekanntlich wollte derjenige, den man für
den Sohn jenes Spinnengottes hielt, die Fischer, die am galiläischen See ihre
Netze auswarfen, zu „Menschenfischern" machen (Matthäus 4, 19): „Hybris ist
unsre Stellung zu Gott, will sagen zu irgend einer angeblichen Zweck- und
Sittlichkeits-Spinne hinter dem grossen Fangnetz-Gewebe der Ursächlichkeit —
wir dürften wie Karl der Kühne im Kampfe mit Ludwig dem Elften sagen ,je
combats l'universelle araignee"' (GM III 9, KSA 5, 357, 26-30. Die Quelle für
diese Information zu Karl dem Kühnen, dass er im französischen König die
universelle Spinne bekämpfe, ist Paul de Saint-Victors Aufsatzband Hommes et
dieux — Saint-Victor 1867, 144). Gott wird selber zum Metaphysiker, zur Spinne,
weil sich die Metaphysiker seiner angenommen haben, vgl. auch NK 177, 32-
178, 1.
Die Spinne schafft Verbindungen zwischen Dingen, die nichts miteinander
zu tun haben, knüpft Kausalitäten, die es in der Welt nicht gibt, sondern die
erst durch das moralisch-metaphysische Netz ermöglicht werden: „Für die
Spinne ist die Spinne das vollkommenste Wesen; für den Metaphysiker ist Gott
ein Metaphysiker: das heißt, er spinnt..." (NL 1888, KSA 13, 16[58], 505). Bei
Lichtenberg hatte es geheißen — und N. hatte diese Stelle am Rande rot mar-
kiert: „Wir müssen glauben, dass Alles eine Ursache habe, so wie diese Spinne
ihr Netz spinnt, um Fliegen zu fangen. Sie thut dieses, ehe sie weiss, dass es
Fliegen in der Welt gibt." (Lichtenberg 1867, 1, 107, vgl. Stingelin 1996, 181) In
Heines Romantischer Schule heißt es: „In einem abgelegenen Kirchwinkel lag
es lauernd, das Christenthum, wie eine Spinne, und sprang dann und wann
hastig hervor, wenn es ein Kind in der Wiege oder einen Greis im Sarge erha-
schen konnte." (Heine 1869, 240).
185, 3 Gott als Geist] Vgl. z. B. Kaftan 1888, 400: „Gott ist nach christlichem
Glauben überweltlicher persönlicher Geist. Mit diesem Glauben von
Gott steht und fällt die christliche Religion".
185, 5 f. Pegel des Tiefstands in der absteigenden Entwicklung des Götter-Typus]
Auch Feuerbach 1904, 163 will die „Entwicklungs-, d. i. Krankheitsgeschichte