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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0132
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Stellenkommentar AC 19, KSA 6, S. 185 109

energischer Wille, Freiheit, Ehre, Keuschheit sind hoch geachtet; das Haus und
die Heimath mit der sie umgebenden Natur liebt man. Dies war der Fruchtbo-
den, in welchen die Saat des Evangeliums fiel. Daher das Christusbild, wie es
sich dem germanischen Gemüthe eingeprägt hat, wie es aus der christlichen
Dichtung uns entgegen leuchtet: Christus der Heldenkönig, tapfer, mannesmu-
thig, huldvoll und aufopfernd. Dem entspricht das Bild des Christenvolkes als
eines mannhaften Heergefolges, dessen Beruf ist, Streiter des Herrn Christi zu
sein (denn das Christenleben ist ein Kampf), und dessen Ehre in seiner Treue
steht." Religionsgeschichtlich bezieht sich 185, 14-18 auf die Christianisierung
der Germanen (vgl. auch NK KSA 6, 99, 17-32), und ist nicht frei von den ideolo-
gischen Voreingenommenheiten, die schon auf Tacitus zurückgehen. Dieser
hatte in seiner Germania die Stämme nördlich der römischen Reichsgrenzen
wie hier N. einer dekadenten Mittelmeerwelt gegenübergestellt. Vom Römi-
schen Reich — diesem angeblich „bewunderungswürdigsten Kunstwerk des
grossen Stils" (AC 58, KSA 6, 246, 2) — schweigt AC 19 (ausführlich dazu Som-
mer 2000a, 199-201). Die antichristliche Negation des Christlichen ist vielfäl-
tig, multiperspektivisch. Daher können historische Größen wie die Germanen
oder das Römische Reich unterschiedlich kontextualisiert werden, ohne dass
N. dadurch ein überzeugter Verfechter des römischen Imperialismus oder der
germanischen Ursprünglichkeit würde. Eine wichtige Quelle für N.s Bild von
der Christianisierung der Germanen ist Lippert 1882, vgl. NK 189, 8-12.
185, 16 f. um nicht vom Geschmacke zu reden] Vgl. FW 132, KSA 3, 485, 14 f.:
„Gegen das Christenthum. — Jetzt entscheidet unser Geschmack gegen
das Christenthum, nicht mehr unsere Gründe."
185, 21 f. sie haben seitdem keinen Gott mehr geschaffen!] Vgl. Guyau 1887,
420: „II serait peut-etre moins difficile encore de creer que d'aneantir, de faire
Dieu que de le tuer." („Es wäre vielleicht weniger schwierig zu schöpfen als zu
vernichten, Gott zu machen als ihn zu töten.").
185, 24 f. ein ultimatum und maximum der gottbildenden Kraft, des creator spi-
ritus im Menschen] Niemand nimmt dem Menschen die Rolle des „Schöpfer
Geistes" ab, wie es die Christenheit etwa in ihrem alten Pfingsthymnus Veni
creator spiritus ihren Gott hat tun lassen. Die dritte Person des dreifaltigen
Gottes wurde als Heiliger Geist verstanden, der zugleich schöpferisch tätig ist.
185, 26 Monotono-Theismus] Die Wendung taucht auch auf in GD Die „Ver-
nunft" in der Philosophie 1, KSA 6, 75, 3 sowie in der Vorarbeit NL 1888,
KSA 13, 17[4], 525, 27. Nach Valadier 1978, 396 nennt N. den Monotheismus
„Monotono-Theismus", „weil die Vereinheitlichung des Wirklichen in einem
einzigen oder überweltlichen Sein eine Illusion und eine Verarmung der vielge-
 
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