Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0142
License: In Copyright

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Stellenkommentar AC 22, KSA 6, S. 188-189 119

12 und Haase 1989, 639-642. Eine ausführliche Symptom- und Therapiebe-
schreibung der Epilepsie konnte N. auch bei Kunze 1881, 100-104 finden.
Schließlich dürften die Lektüren der französischen Physiologen sowie von
Dostojewskijs Bessy die Assoziation von Epilepsie und religiöser Dekadenz
befördert haben, vgl. Wahrig-Schmidt 1988, 443 f. und Miller 1975, 172.
188, 24 f. man lässt ihnen den „Leib", man will nur die „Seele"] Vgl. Herrmann
1887, 220: „Nachdem so eine Spaltung der Menschenseele absichtlich herbeige-
führt worden, concentrirt die Religion die edlere Partie derselben zu einem
ewig fortdauernden, unendlicher Vollendung fähigen und mit dem höchsten
Gute, mit Gott selbst vereinigten Geiste. Sie schuf die Fiction einer Persön-
lichkeit" (von N. Unterstrichenes kursiviert). Vgl. NK KSA 6, 149, 25-30.

22
188, 30-32 Dies Christenthum, als es seinen ersten Boden verliess, die niedrigs-
ten Stände, die Unterwelt der antiken Welt, als es unter Barbaren-Völkern
nach Macht ausgieng] Beim entwicklungsgeschichtlichen Abriss des Christen-
tums nach AC 22 fällt auf, dass die Hellenisierung des Christentums nach sei-
nem Heraustreten aus dem jüdischen Umfeld unterschlagen wird: Es klingt so,
als ob auf die palästinische Ghettowelt unmittelbar die Missionierung der
Goten, Vandalen, Langobarden und Franken gefolgt sei, ohne dass die erlö-
sungssüchtige, hellenistisch-römische Spätkultur vom Christentum in irgendei-
ner Weise affiziert worden wäre. Eine subtile griechische Dogmatik, deren Ver-
tretern von Origenes bis Athanasius man alles Mögliche, nur nicht pauschal
„Verachtung des Geistes und der Cultur" (189, lOf.) zum Vorwurf machen
kann, scheint es in diesem Abriss der Christentumsgeschichte nie gegeben zu
haben. N. vollzieht den Sprung von Palästina zu den „Barbaren" in systemati-
scher Absicht: Denn einerseits will er den Buddhismus als die der aristokrati-
schen Dekadenz allein angemessene Religionsform hinstellen; andererseits das
Römische Reich von der Verantwortung freisprechen, mit dem Christentum
und seiner Ausbreitung etwas zu tun zu haben. Das Römische Reich gilt dann
nach AC 60 ausdrücklich selbst als Opfer des Christentums.
189, 1-3 sondern innerlich verwilderte und sich zerreissende, — den starken
Menschen, aber den missrathenen] Vgl. NK KSA 6, 146, 20-22.
189, 8-12 Das Christenthum hatte barbarische Begriffe und Werthe nöthig,
um über Barbaren Herr zu werden: solche sind das Erstlingsopfer, das Bluttrin-
ken im Abendmahl, die Verachtung des Geistes und der Cultur; die Folterung in
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften