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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0144
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Stellenkommentar AC 22, KSA 6, S. 189 121

trat auch das Christenthum nicht aus dem Kreise der Seelencultvorstellungen
heraus — es vollzog nur die Einheit, vereinigte die Sühne und die Schuld und
löste alle Opfer und Opferschuld in einer Weise, die auch das ängstlichste
Gewissen entlastete." (Lippert 1881, 483, zum „Blutopfer" auch ausführlich
Lippert 1887, 2, 325-342, zum Abendmahl als Opfermahl ebd., 618-620).
Umfassender hat sich Lippert in Christenthum, Volksglaube und Volks-
brauch (1882) zum Zusammenhang von Christentum und Barbarenmission und
zu dem ins Abendmahl transsubstantiierten „Erstlingsopfer" verbreitet. Dieses
Buch empfahl N. in seinem Brief an Franz Overbeck vom 10. 04. 1886 als ein
Werk, „von dem man in Deutschland nichts wissen will, aber das viel von
meiner Art, über Religion zu denken, und eine Menge suggestive Fakta ent-
hält" (KSB 7, Nr. 684, S. 171, Z. 37-39). Einige Lektüreeindrücke aus Lippert 1882
hielt N. in NL 1885/86, KSA 12, 1[5], 12 f. (KGW IX 2, N VII 2, 167-168) fest; zu
N.s einschlägiger Lippert-Rezeption siehe auch Orsucci 1996, 217-220 u. 294-
297. Das Motiv des christlichen Erstlingsopfers (in Anlehnung an 1. Korinther
15, 20) taucht in NL 1887/88, KSA 13, 11[378], 178 (KGW IX 7, W II 3, 16, 24)
wieder auf.
189, 17-20 Das Christenthum will über Raubthiere Herr werden; sein Mittel
ist, sie krank zu machen, — die Schwächung ist das christliche Rezept zur
Zähmung, zur „Civilisation".] Dasselbe Bild benutzt Herrmann 1887, 219, frei-
lich milder gestimmt: „Während der culturlose Mensch gleich den Raubthieren
nur jene Triebe entfaltet, welche demselben reichliche Nahrung verschaffen
und ihn vor dem Untergange durch Feinde und schädliche Einflüsse der Natur
bewahren, erweckt die Religion das Bewußtsein edlerer Triebe, sie cultivirt
zuerst den Glauben, die Hoffnung und die Liebe." (Kursiviertes von N. unterstri-
chen) Auch Heine 1869, 142 bedient sich — bei entgegengesetzter Bewertung —
einer ähnlichen Metaphorik: „Jener Spiritualismus [sc. das Christentum] wirkte
heilsam auf die übergesunden Völker des Nordens; die allzuvollblütigen barba-
rischen Leiber wurden christlich vergeistigt; es begann die europäische Civili-
sazion. Das ist eine preiswürdige, heilige Seite des Christenthums. Die katholi-
sche Kirche erwarb sich in dieser Hinsicht die grössten Ansprüche auf unsere
Verehrung und Bewunderung. Sie hat, durch grosse geniale Institutionen, die
Bestialität der nordischen Barbaren zu zähmen und die brutale Materie zu
bewältigen gewusst." Ausführlich entfaltet N. das Thema in GD Die „Verbesse-
rer" der Menschheit 2, vgl. NK KSA 6, 99, 17-32, zur Raubtiermetaphorik auch
NK KSA 6, 99, 5-8.
189, 18 f. sein Mittel ist, sie krank zu machen] Die Assoziation von Krankheit
und Sünde hat N. etwa bei Lippert 1882, 23 als religionsgeschichtlich verbürgt
finden können: „Der märkische Bauer nennt das Besprechen der Krankheiten
 
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