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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0389
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366 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

265, 23-29 Schlechterdings unnachweisbar irgend eine lokale Entartung; kein
organisch bedingtes Magenleiden, wie sehr auch immer, als Folge der Gesammt-
erschöpfung, die tiefste Schwäche des gastrischen Systems. Auch das Augenlei-
den, dem Blindwerden zeitweilig sich gefährlich annähernd, nur Folge, nicht
ursächlich: so dass mit jeder Zunahme an Lebenskraft auch die Sehkraft wieder
zugenommen hat.] Sehr viel stärker von unmittelbarem Leiden betroffen
äußerte sich N. noch am 04. 07. 1888 gegenüber Overbeck: „Die Lebens-Kraft
ist nicht mehr intakt. Die Einbuße von 10 Jahren zum Mindesten ist nicht mehr
gut zu machen: während dem habe ich immer vom ,Capital' gelebt und nichts,
gar nichts zuerworben. Aber das macht arm... [...] Diese extreme Irritabilität
unter meteorologischen Eindrücken ist kein gutes Zeichen: sie charakterisirt
eine gewisse Gesammt-Erschöpfung, die in der That mein eigentliches Leiden
ist. Alles, wie Kopfschmerz usw. ist nur Folge zustand und relativ symptoma-
tisch. — Es stand in der schlimmsten Zeit in Basel und nach Basel genau
nicht anders: nur daß ich damals im höchsten Grade unwissend war und
den Ärzten ein Herumtasten nach lokalen Übeln gestattet habe, das ein Ver-
hängniß mehr war. Ich bin durchaus nicht kopfleidend, nicht magenlei-
dend: aber unter dem Druck einer nervösen Erschöpfung (die zum Theil here-
ditär, — von meinem Vater, der auch nur an Folgeerscheinungen des
Gesammt-Mangels an Lebenskraft gestorben ist — zum Theil, erworben ist)
erscheinen die Consequenzen in allen Formen." (KSB 8, Nr. 1056, S. 347 f.,
Z. 21-47).
265, 31-33 Brauche ich, nach alledem, zu sagen, dass ich in Fragen der deca-
dence erfahren bin? Ich habe sie vorwärts und rüclcwärts buchstabirt.] Vgl.
NK 264, 4-11. Thomas Mann greift diese für sein eigenes Selbstverständnis
wesentliche Passage im Lebensabriss auf: „Ich habe die Dekadenz vorwärts
und rückwärts buchstabiert. Dekadenz überwinden, heißt zunächst sie durch-
leben und durchleiden." (Mann 1990, 11, 111) Vgl. auch Oei 2008, 219.
265, 34-266, 1 jene Filigran-Kunst des Greifens und Begreifens überhaupt, jene
Finger für nuances] Vgl. NK KSA 6, 14, 23 f. In EH WA 4, KSA 6, 362, 28 sieht N.
sich selbst als „nuance". Die „Nuancen" können ein Zeichen der Dekadenz
sein; sie werden programmatisch beschworen im Art poetique von Paul Ver-
laine (aus dem N. in WA 10, KSA 6, 35, 18 zu zitieren scheint). Dort heißt es:
„Car nous voulons la Nuance encor, / Pas la Couleur, rien que la nuance! /
Oh! la nuance seule fiance / Le reve au reve et la flüte au cor!" (Verlaine 1884,
24. „Denn wir wollen die Nuance, / Nicht die Farbe, nur die Nuance! / Oh!
Einzig die Nuance vereint / den Traum mit dem Traum und die Flöte mit dem
Horn!").
266, 1 Psychologie des „Um-die-Ecke-sehns"] Vgl. NL 1888, KSA 13, 20[97], 566:
„bist du so neugierig? / kannst du um die Ecke sehn? / man muß, um das zu
 
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