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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0420
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Stellenkommentar EH klug, KSA 6, S. 279 397

Die Diätetik, die N. in EH Warum ich so klug bin 1 entwirft, ist eine Erfah-
rungswissenschaft und gerade der Theologie entgegengesetzt, die sich mit
Heilsfragen beschäftigt. N. berichtet von zunächst zufälligen, dann gezielt
gemachten Erfahrungen mit seinem eigenen Körper. Diätetik ist eine Selbster-
fahrungswissenschaft, deren Modell N. etwa bei Cornaro finden konnte
(„Daher begann ich fleißig zu erforschen, welche Speisen mir nützlich oder
schädlich sein könnten." Cornaro o. J. [1881], 23). Er hätte sich auch zu Corna-
ros Devise bekennen können, wonach „jeder selbst ein Arzt, und zwar sein
bester Medicus sein" solle (ebd., 36), denn jeder könne „am ehesten aus eigner
Erfahrung die verborgenen Eigenschaften seiner Natur erkennen und danach
sich ein Urteil bilden über das Maß der Speisen und Getränke, welches ihm
am dienlichsten sei" (ebd., 37).
In der EH-Vorarbeit von Heft W II 9c, die mit dem Ernährungspassus ein-
setzt, fehlte das „Heil der Menschheit" an entsprechender Stelle (NL 1888,
KSA 13, 24[1], 615). Bislang lag für das Abendland dieses „Heil" in den höchsten
geistlich-geistigsten Dingen. In 279, 3-6 wird diese Auffassung umgestoßen,
indem das physiologisch Basalste, nämlich die Ernährung, oder genauer: die
Auswahl zuträglicher Nahrungsmittel, zur Heilsgrundlage erklärt wird. Die
Pointe liegt nicht nur in dieser Umkehrung der Erwartung, worin denn das
„Heil der Menschheit" bestehe, sondern zudem darin, dass das Ich hier nur
über sich selbst, d. h. die ihm persönlich zuträgliche Nahrung spricht — es
also um das Heil eines einzigen Menschen zu tun ist: Das Heil wird empirisch-
persönlich reduziert.
Auf den Begriff „Heil der Menschheit" ist N. 1887/88 erneut bei der Lektüre
von Dostojewskijs Dämonen gestoßen (er hat ihn schon in M 91, KSA 3, 84, 10
verwendet). Daraus hat er sich u. a. exzerpiert: „Wenn die Gesetze der Natur
selbst ihr Meisterstück nicht geschont hat, wenn sie Jesus hat leben lassen in
mitten der Lüge und für eine Lüge ( — und ihm schuldet die Erde Alles, was
sie hat leben lassen — ) ohne ihn wäre der Planet, mit Allem, was darauf ist,
bloße Thorheit, nun, so ruht der Planet auf einer Lüge, auf einer dummen
Verspottung. Folglich sind die Gesetze der Natur selbst eine Verspottung
Imposture und eine diabolische farce. Warum also leben, wenn du ein Mensch
bist?... / ,Wenn sie Sie aber enttäuscht sind? wenn sie begriffen haben, daß
der ganze Irrthum im Glauben an den alten Gott lag?' / Das Heil der
M(ensch)h(eit) hängt davon ab, ihr diesen Gedanken zu beweisen — / Ich
begreife nicht, wie bisher ein Atheist hat wissen können, daß es keinen Gott
giebt und sich nicht sofort getödtet hat..." (NL 1887/88, KSA 13, 11[336], 144 f.,
korrigiert nach KGW IX 7, W II 3, 46, 2-22) Es handelt sich um einen Auszug
aus dem Streitgespräch von Kiriloff mit Piotr Stefanowitsch. Die Vorlage lautet:
„— Mais permettez, eh bien, mais si vous etes dieu? Si vous etes detrompe,
 
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