Stellenkommentar EH klug, KSA 6, S. 279-280 401
Fleisch. [...] Manche aber empfinden einen unwiderstehlichen Degoüt vor
rohem Fleisch." Wiel 1873, 55 führt weiter aus: „Beefsteaks ([...]) sind unbe-
dingt die erste Speise der Welt. [...] Die Küche liefert zwei Arten von Beefsteaks,
gar gebratene und solche, die inwendig noch roth sind. Die ersten
sind trocken, schmecken schlecht und sind schwerverdaulich, die letzteren
dagegen zart, saftig und leicht zu verdauen. [...] Gewöhnlich nennt man erstere
Beefsteaks deutsche, letztere englische. Die hiedurch so schwer gekränk-
ten deutschen Köchinnen rächten sich dadurch, dass sie den Engländern selbst
den Beinamen ,Beefsteaks' aufbrachten." Zum Beefsteak vgl. NK KSA 6, 196,
16 f.
280, 11 f. Die beste Küche ist die Piemont's.] Demgegenüber scheint N. der
Küche des etwas südlicher gelegenen Genua mit größeren Vorbehalten gegen-
überzustehen, siehe NK KSA 6, 31, 31-32, 1.
280, 12-14 Alkoholika sind mir nachtheilig; ein Glas Wein oder Bier des Tags
reicht vollkommen aus, mir aus dem Leben ein „Jammerthal" zu machen] Vgl.
NK KSA 6, 104, 12-15 und die Schilderung der „gens ä temperament intellectuel
delicat et excitable" („Menschen mit einem delikaten und reizbaren intellektu-
ellen Temperament") bei Richet 1884, 98 f., die schon von geringsten Mengen
Alkohol aus der Bahn geworfen werden: „s'ils ne s'observent pas avec soin, ils
s'enivrent, sans s'en douter /99/ avec une facilite deplorable qui leur a joue
plus d'un mechant tour. On pourrait avec raison comparer cette predisposition
ä l'hysterie" („wenn sie nicht sehr vorsichtig mit sich umgehen, werden sie,
ohne es zu ahnen, mit einer beklagenswerten Leichtigkeit betrunken, die ihnen
schon oft übel mitgespielt hat. Man könnte diese Veranlagung zu Recht mit der
Hysterie vergleichen"). Vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Fachliteratur
stellt sich der Sprecher in 280, 12-14 also eine pathologische Selbstdiagnose —
um zu demonstrieren, wie die Disposition zur Krankheit überwunden wird.
Dass N. es mit der therapeutischen Bierabstinenz nicht immer so genau nahm,
ist seinem Brief an die Schwester Elisabeth Förster vom 23. 11. 1885 aus Nizza
zu entnehmen: „Ich gestehe, daß ich eine überraschend wohlthätige Wirkung
gespürt habe, seit ich jeden Abend mit einem Glase Bier beschließe. Gerade in
solchen stimulanten Klimaten scheint das Bier wie ein Medikament zu die-
nen." (KSB 7, Nr. 646, S. 110, Z. 27-30).
Das „Jammerthal" aus Psalm 84, 7 taucht bei N. nur hier sowie in NL 1888,
KSA 13, 24[1]1, 616, 23 f. mit dem Zusatz: „aus dem Leben wie Schopenhauern
ein ,Jammerthal' zu machen" auf. In Carl Maria von Webers Freischütz (I 5) galt
der Wein hingegen als Gegengift zum Jammertal: „Hier im ird'schen Jammer-
thal / Wär's doch nichts als Plack und Qual, / Trüg' der Stock nicht Trauben".
280, 14 f. — in München leben meine Antipoden] Dem Stereotyp von den
B(raunb)ier trinkenden Münchnern ist N. in David Friedrich Strauß' Elegie
Fleisch. [...] Manche aber empfinden einen unwiderstehlichen Degoüt vor
rohem Fleisch." Wiel 1873, 55 führt weiter aus: „Beefsteaks ([...]) sind unbe-
dingt die erste Speise der Welt. [...] Die Küche liefert zwei Arten von Beefsteaks,
gar gebratene und solche, die inwendig noch roth sind. Die ersten
sind trocken, schmecken schlecht und sind schwerverdaulich, die letzteren
dagegen zart, saftig und leicht zu verdauen. [...] Gewöhnlich nennt man erstere
Beefsteaks deutsche, letztere englische. Die hiedurch so schwer gekränk-
ten deutschen Köchinnen rächten sich dadurch, dass sie den Engländern selbst
den Beinamen ,Beefsteaks' aufbrachten." Zum Beefsteak vgl. NK KSA 6, 196,
16 f.
280, 11 f. Die beste Küche ist die Piemont's.] Demgegenüber scheint N. der
Küche des etwas südlicher gelegenen Genua mit größeren Vorbehalten gegen-
überzustehen, siehe NK KSA 6, 31, 31-32, 1.
280, 12-14 Alkoholika sind mir nachtheilig; ein Glas Wein oder Bier des Tags
reicht vollkommen aus, mir aus dem Leben ein „Jammerthal" zu machen] Vgl.
NK KSA 6, 104, 12-15 und die Schilderung der „gens ä temperament intellectuel
delicat et excitable" („Menschen mit einem delikaten und reizbaren intellektu-
ellen Temperament") bei Richet 1884, 98 f., die schon von geringsten Mengen
Alkohol aus der Bahn geworfen werden: „s'ils ne s'observent pas avec soin, ils
s'enivrent, sans s'en douter /99/ avec une facilite deplorable qui leur a joue
plus d'un mechant tour. On pourrait avec raison comparer cette predisposition
ä l'hysterie" („wenn sie nicht sehr vorsichtig mit sich umgehen, werden sie,
ohne es zu ahnen, mit einer beklagenswerten Leichtigkeit betrunken, die ihnen
schon oft übel mitgespielt hat. Man könnte diese Veranlagung zu Recht mit der
Hysterie vergleichen"). Vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Fachliteratur
stellt sich der Sprecher in 280, 12-14 also eine pathologische Selbstdiagnose —
um zu demonstrieren, wie die Disposition zur Krankheit überwunden wird.
Dass N. es mit der therapeutischen Bierabstinenz nicht immer so genau nahm,
ist seinem Brief an die Schwester Elisabeth Förster vom 23. 11. 1885 aus Nizza
zu entnehmen: „Ich gestehe, daß ich eine überraschend wohlthätige Wirkung
gespürt habe, seit ich jeden Abend mit einem Glase Bier beschließe. Gerade in
solchen stimulanten Klimaten scheint das Bier wie ein Medikament zu die-
nen." (KSB 7, Nr. 646, S. 110, Z. 27-30).
Das „Jammerthal" aus Psalm 84, 7 taucht bei N. nur hier sowie in NL 1888,
KSA 13, 24[1]1, 616, 23 f. mit dem Zusatz: „aus dem Leben wie Schopenhauern
ein ,Jammerthal' zu machen" auf. In Carl Maria von Webers Freischütz (I 5) galt
der Wein hingegen als Gegengift zum Jammertal: „Hier im ird'schen Jammer-
thal / Wär's doch nichts als Plack und Qual, / Trüg' der Stock nicht Trauben".
280, 14 f. — in München leben meine Antipoden] Dem Stereotyp von den
B(raunb)ier trinkenden Münchnern ist N. in David Friedrich Strauß' Elegie