408 Ecce homo. Wie man wird, was man ist
N.s Lehrer Friedrich Ritschl hatte in einem Brief an Wilhelm Vischer-Bilfinger
vom 02. 02. 1873 N.s „Impietät gegen seine eigentliche Mutter, die ihn an ihren
Brüsten gesäugt hat: die Philologie" gerügt (KSA 15, 47). Zum Thema ausführ-
lich Benne 2005b.
283, 21 Augen-Aufschließendes?] Im Druckmanuskript von N. danach gestri-
chen: „ — daß ich, statt in Wagner und Schopenhauer meine Antagonisten zu
fühlen, sie mir zu Gemüthe führte, ah! wie sehr zu Gemüthe..." (KSA 14, 476).
283, 22-24 In meiner Basler Zeit war meine ganze geistige Diät, die Tages-
Eintheilung eingerechnet, ein vollkommen sinnloser Missbrauch ausserordentli-
cher Kräfte] Wie sehr Äußerlichkeiten wie die Tageseinteilung die Kräfte des
Individuums untergraben können, reflektiert schon M 435, KSA 3, 267. Während
seiner Basler Zeit hatte N. in der Regel nicht nur sieben Stunden Lehrveranstal-
tungen (zumeist Vorlesungen) an der Universität, sondern zudem noch sechs
Stunden Griechisch am Pädagogium zu erteilen. So schreibt er beispielsweise
am 16. 11. 1874 an Carl von Gersdorff: „Wenn Du einmal nach Bayreuth
schreibst, so sage doch gelegentlich, ich hätte noch nie einen so arbeitsvol-
len Winter gehabt und müsste mit Hülfe eines Stundenplanes von Morgens
8 — Abends 11 oder 12 es zu erzwingen suchen: nämlich 7 Stunden Universität,
6 Pädagog., lauter neue Felder" (KSB 4, Nr. 404, S. 276, Z. 6-11). Ausführlich
zu N.s Basler Tagesablauf Bollinger / Trenkle 2000, 61-70, zu N. als Basler
Professor Sommer 2011d.
283, 22 geistige Diät] Vgl. NK KSA 6, 187, 22.
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284, 7-11 In meinem Fall gehört alles Lesen zu meinen Erholungen: folglich
zu dem, was mich von mir losmacht, was mich in fremden Wissenschaften und
Seelen spazieren gehn lässt, — was ich nicht mehr ernst nehme. Lesen erholt
mich eben von meinem Ernste.] Das genaue Gegenteil wurde in dem 1888
erstmals erschienenen und häufig wieder aufgelegten Band Über Lesen und
Bildung von Anton E. Schönbach (1848-1911) behauptet: „Wir Alle stecken viel
zu tief in der Meinung, /117/ Hauptzweck des Lesens sei Erholung, Zerstreuung,
Unterhaltung. Nichts könnte, so allgemein gesprochen, weniger wahr sein als
dieß. Sollte man nicht glauben, wen Geschäft und Arbeit des Tages übermüdet
haben, der tue am Besten, spazieren zu gehen [...] oder sich schlafen zu legen?
[...] Lesen ist das wichtigste Werkzeug der Selbstkultur. Wir sind gewohnt,
neben unserer beschränkteren Lebensaufgabe noch Verschiedenes zu treiben,
N.s Lehrer Friedrich Ritschl hatte in einem Brief an Wilhelm Vischer-Bilfinger
vom 02. 02. 1873 N.s „Impietät gegen seine eigentliche Mutter, die ihn an ihren
Brüsten gesäugt hat: die Philologie" gerügt (KSA 15, 47). Zum Thema ausführ-
lich Benne 2005b.
283, 21 Augen-Aufschließendes?] Im Druckmanuskript von N. danach gestri-
chen: „ — daß ich, statt in Wagner und Schopenhauer meine Antagonisten zu
fühlen, sie mir zu Gemüthe führte, ah! wie sehr zu Gemüthe..." (KSA 14, 476).
283, 22-24 In meiner Basler Zeit war meine ganze geistige Diät, die Tages-
Eintheilung eingerechnet, ein vollkommen sinnloser Missbrauch ausserordentli-
cher Kräfte] Wie sehr Äußerlichkeiten wie die Tageseinteilung die Kräfte des
Individuums untergraben können, reflektiert schon M 435, KSA 3, 267. Während
seiner Basler Zeit hatte N. in der Regel nicht nur sieben Stunden Lehrveranstal-
tungen (zumeist Vorlesungen) an der Universität, sondern zudem noch sechs
Stunden Griechisch am Pädagogium zu erteilen. So schreibt er beispielsweise
am 16. 11. 1874 an Carl von Gersdorff: „Wenn Du einmal nach Bayreuth
schreibst, so sage doch gelegentlich, ich hätte noch nie einen so arbeitsvol-
len Winter gehabt und müsste mit Hülfe eines Stundenplanes von Morgens
8 — Abends 11 oder 12 es zu erzwingen suchen: nämlich 7 Stunden Universität,
6 Pädagog., lauter neue Felder" (KSB 4, Nr. 404, S. 276, Z. 6-11). Ausführlich
zu N.s Basler Tagesablauf Bollinger / Trenkle 2000, 61-70, zu N. als Basler
Professor Sommer 2011d.
283, 22 geistige Diät] Vgl. NK KSA 6, 187, 22.
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284, 7-11 In meinem Fall gehört alles Lesen zu meinen Erholungen: folglich
zu dem, was mich von mir losmacht, was mich in fremden Wissenschaften und
Seelen spazieren gehn lässt, — was ich nicht mehr ernst nehme. Lesen erholt
mich eben von meinem Ernste.] Das genaue Gegenteil wurde in dem 1888
erstmals erschienenen und häufig wieder aufgelegten Band Über Lesen und
Bildung von Anton E. Schönbach (1848-1911) behauptet: „Wir Alle stecken viel
zu tief in der Meinung, /117/ Hauptzweck des Lesens sei Erholung, Zerstreuung,
Unterhaltung. Nichts könnte, so allgemein gesprochen, weniger wahr sein als
dieß. Sollte man nicht glauben, wen Geschäft und Arbeit des Tages übermüdet
haben, der tue am Besten, spazieren zu gehen [...] oder sich schlafen zu legen?
[...] Lesen ist das wichtigste Werkzeug der Selbstkultur. Wir sind gewohnt,
neben unserer beschränkteren Lebensaufgabe noch Verschiedenes zu treiben,