Stellenkommentar EH klug, KSA 6, S. 285 413
scheiterte, beschäftigte Cosima Wagner N.s Phantasie noch im Spätwerk. In
sogenannten Wahnsinnszetteln identifizierte er sie mit Ariadne und bezeich-
nete sie als ,,[s]eine Geliebte" (N. an Cosima Wagner, 03. 01. 1889, KSB 8,
Nr. 1241, S. 572, vgl. N. an Burckhardt, 06. 01. 1889, KSB 8, Nr. 1256, S. 579 u.
NK KSA 6, 123, 30-124, 3). Cosima Wagner, die in erster Ehe mit Hans von
Bülow verheiratet war, war die uneheliche Tochter von Franz Liszt und Marie
de Flavigny, Gräfin d'Agoult und wurde nach der Trennung ihrer Eltern einige
Jahre in einem Pariser Pensionat erzogen.
285, 11-15 Dass ich Pascal nicht lese, sondern liebe, als das lehrreichste Opfer
des Christenthums, langsam hingemordet, erst leiblich, dann psychologisch, die
ganze Logik dieser schauderhaftesten Form unmenschlicher Grausamkeit] Vgl.
NK KSA 6, 171, 30-34. In GM III 17, KSA 5, 379, 14 berief sich N. auf „das Princip
Pascal's ,il faut s'abetir"'. Dazu hatte er bei Höffding 1887, 94 gelesen: „Zwang
wirkt gegen das, was sich im klaren Bewusstsein bewegt; gezwungne Bekeh-
rung gelingt daher nur, wo kein klares und entwickeltes Bewusstseinsleben
vorhanden ist. Mechanisches Einüben kann indessen allmählich das Bewusst-
sein schwächen. Wir sind Pascals Ausdruck zufolge, Automat ebensowohl
als Geist, weshalb Pascal uns anrät, den Anfang damit zu machen, dass wir
Weihwasser nehmen und die Zeremonien befolgen: das übrige werde sich dann
schon finden. Dies ist sein berüchtigtes Prinzip: II faut s'abetir." (Von N. am
Rand mit Strich und „NB" markiert; hier Kursiviertes von ihm unterstrichen.
„Man muss abstumpfen.") In der zweiten Jahreshälfte 1888 hat N. offenkundig
auch den Pascal-Essay von Bourget 1889a, 1, 3-22 gelesen (vgl. NK KSA 6, 427,
26).
285, 15 f. dass ich Etwas von Montaigne's Muthwillen im Geiste, wer weiss?
vielleicht auch im Leibe habe] Eine sehr positive Montaigne-Darstellung hat N.
1887/1888 bei Foucher 1873, 202-204 gelesen. Die Montaigne-Notiz NL 1887/88,
KSA 13, 11[65], 32 (KGW IX 7, W II 3, 168, 16-22) ist eine wörtliche Übersetzung
aus Foucher 1873, 203.
285, 16-19 dass mein Artisten-Geschmack die Namen Moliere, Corneille und
Racine nicht ohne Ingrimm gegen ein wüstes Genie wie Shakespeare in Schutz
nimmt] Zu Moliere, Pierre Corneille (vgl. NK KSA 6, 32, 14-16) und Racine liest
N. neben Stendhal 1854a im Jahr 1887/88 Foucher 1873, 1-55, zu Shakespeares
Genie Foucher 1873, 127-145. Das „Rohe, Wilde, Harte" an Shakespeare hat
nach einer anderen zeitgenössischen Lektüre N.s, nämlich Hehn 1888, 183,
Friedrich Theodor Vischer besonders angesprochen; Goethe hingegen meldete
als Antwort auf die Romantiker trotz seines eigenen, frühen Shakespeare-
Enthusiasmus auch einige Vorbehalte an (ebd., 135-138).
scheiterte, beschäftigte Cosima Wagner N.s Phantasie noch im Spätwerk. In
sogenannten Wahnsinnszetteln identifizierte er sie mit Ariadne und bezeich-
nete sie als ,,[s]eine Geliebte" (N. an Cosima Wagner, 03. 01. 1889, KSB 8,
Nr. 1241, S. 572, vgl. N. an Burckhardt, 06. 01. 1889, KSB 8, Nr. 1256, S. 579 u.
NK KSA 6, 123, 30-124, 3). Cosima Wagner, die in erster Ehe mit Hans von
Bülow verheiratet war, war die uneheliche Tochter von Franz Liszt und Marie
de Flavigny, Gräfin d'Agoult und wurde nach der Trennung ihrer Eltern einige
Jahre in einem Pariser Pensionat erzogen.
285, 11-15 Dass ich Pascal nicht lese, sondern liebe, als das lehrreichste Opfer
des Christenthums, langsam hingemordet, erst leiblich, dann psychologisch, die
ganze Logik dieser schauderhaftesten Form unmenschlicher Grausamkeit] Vgl.
NK KSA 6, 171, 30-34. In GM III 17, KSA 5, 379, 14 berief sich N. auf „das Princip
Pascal's ,il faut s'abetir"'. Dazu hatte er bei Höffding 1887, 94 gelesen: „Zwang
wirkt gegen das, was sich im klaren Bewusstsein bewegt; gezwungne Bekeh-
rung gelingt daher nur, wo kein klares und entwickeltes Bewusstseinsleben
vorhanden ist. Mechanisches Einüben kann indessen allmählich das Bewusst-
sein schwächen. Wir sind Pascals Ausdruck zufolge, Automat ebensowohl
als Geist, weshalb Pascal uns anrät, den Anfang damit zu machen, dass wir
Weihwasser nehmen und die Zeremonien befolgen: das übrige werde sich dann
schon finden. Dies ist sein berüchtigtes Prinzip: II faut s'abetir." (Von N. am
Rand mit Strich und „NB" markiert; hier Kursiviertes von ihm unterstrichen.
„Man muss abstumpfen.") In der zweiten Jahreshälfte 1888 hat N. offenkundig
auch den Pascal-Essay von Bourget 1889a, 1, 3-22 gelesen (vgl. NK KSA 6, 427,
26).
285, 15 f. dass ich Etwas von Montaigne's Muthwillen im Geiste, wer weiss?
vielleicht auch im Leibe habe] Eine sehr positive Montaigne-Darstellung hat N.
1887/1888 bei Foucher 1873, 202-204 gelesen. Die Montaigne-Notiz NL 1887/88,
KSA 13, 11[65], 32 (KGW IX 7, W II 3, 168, 16-22) ist eine wörtliche Übersetzung
aus Foucher 1873, 203.
285, 16-19 dass mein Artisten-Geschmack die Namen Moliere, Corneille und
Racine nicht ohne Ingrimm gegen ein wüstes Genie wie Shakespeare in Schutz
nimmt] Zu Moliere, Pierre Corneille (vgl. NK KSA 6, 32, 14-16) und Racine liest
N. neben Stendhal 1854a im Jahr 1887/88 Foucher 1873, 1-55, zu Shakespeares
Genie Foucher 1873, 127-145. Das „Rohe, Wilde, Harte" an Shakespeare hat
nach einer anderen zeitgenössischen Lektüre N.s, nämlich Hehn 1888, 183,
Friedrich Theodor Vischer besonders angesprochen; Goethe hingegen meldete
als Antwort auf die Romantiker trotz seines eigenen, frühen Shakespeare-
Enthusiasmus auch einige Vorbehalte an (ebd., 135-138).