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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0461
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438 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

in erster Linie nicht um des Gelesenen selbst willen, sondern im Hinblick auf
seine eigenen Interessen, auf die Integrierbarkeit des Gelesenen in den Hori-
zont seiner eigenen Interessen liest.
293, 4 in der Kritik] Im Druckmanuskript: „im Kritik" (KSA 14, 478).
9
293, 18 Selbstsucht] Vgl. NK 294, 5 f.
293, 21 grösser] GoA korrigiert zu „grösser sein" (KSA 14, 478).
293, 28 kann] GoA korrigiert zu „kommt" (KSA 14, 478).
293, 29-32 wo nosce te ipsum das Recept zum Untergang wäre, wird Sich-
Vergessen, Sich-Missverstehn, Sich-Verkleinern, -Verengern, -Vermittelmässi-
gen zur Vernunft selber] Die Inschrift über dem Apollo-Tempel in Delphi: FvwOt
ocavTÖv oder „Erkenne dich (selbst)", die N. hier in der lateinischen Übertra-
gung wiedergibt, galt ihm schon in GT 4 (KSA 1, 40) als Wahlspruch des Apolli-
nischen und der einseitig rationalistischen Wissenschaftskultur im Gefolge des
Sokrates (vgl. JGB 80, KSA 5, 88). Da sich die abendländische Philosophie und
Wissenschaft (vgl. M 48, KSA 3, 53) über weite Strecken unter dieses Motto
stellte, fällt es N. hier leicht, für seinen Teil eine Gegenposition zu beziehen,
die wenigstens die allzu frühe Selbsterkenntnis als verderblich brandmarkt
und mit dem Wort „Untergang" in den Assoziationshorizont der decadence
rückt. Dass Selbsterkenntnis eigentlich eine Unmöglichkeit sei, ruft FW 335,
KSA 3, 560, 18-21 in Erinnerung: „Jeder ist sich selber der Fernste' — das
wissen alle Nierenprüfer, zu ihrem Unbehagen; und der Spruch ,erkenne dich
selbst!' ist, im Munde eines Gottes und zu Menschen geredet, beinahe eine
Bosheit."
Von seiner Lektüre von Dostojewskijs L'esprit souterrain berichtet N. am
23. 02. 1887 an Overbeck, es handle sich bei der zweiten in dieser Kompilation
enthaltenen Novelle (nämlich Lisa, Dostoievsky 1886b, 153-298) um einen
„Geniestreich der Psychologie, eine Art Selbstverhöhnung des yvwOt oavTÖv"
(KSB 8, Nr. 804, S. 28, Z. 27-29). Als eine solche Selbstverhöhnung des Trach-
tens nach Selbsterkenntnis erscheint auch EH und insbesondere das hier
behandelte Kapitel EH Warum ich so klug bin, das „Selbstsucht" geradezu im
Widerspruch zu Selbsterkenntnis sieht. Dennoch scheint das ganze Unterneh-
men EH auch der Selbstverständigung zu dienen, so sehr bereits EH Vorwort
1 betont, dass es in diesem Buch darum gehe, den anderen, der „Menschheit"
zu sagen, wer das umwertende Ich sei.
 
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