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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0471
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448 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

akustischen Täuschung, daß wo n Nichts gehört wird, auch Nichts da ist...
Das ist zuletzt meine durchschnittliche 'Lebens-'Erfahrungy und, wenn man
will, die Originalität meiner Erfahrung. Wer Etwas von mir verstanden zu
haben glaubte, hatte sich Etwas aus mir zurechtgemacht, nach seinem
,Bilde' — nicht selten einen Gegensatz von mir, zum Beispiel einen ,Idealisten';
wer Nichts verstanden hatte, leugnete, daß ich überhaupt in Betracht
komme. — Das Wort ,Übermensch' rzur Bezeichnung eines Typus höchster
Wohlgerathenheit — ein Wort', das im Munde eines Zarathustra ein sehr deutli-
ches Wort wird, ist fast überall in voller Unschuld im Sinne der Werthe verstan-
den worden, deren Vernichter, deren Todfeind Zarathustra [+ + +] Andres
gelehrtes Hornvieh hat mich seinetwegen des Darwinismus verdächtigt: selbst
der Heroen-Cultus Carlyle's ist darin wiedererkannt worden. [+ + +]" (KSA 14,
479 f.).
298, 3-8 Das Eine bin ich, das Andre sind meine Schriften. — Hier werde, bevor
ich von ihnen selber rede, die Frage nach dem Verstanden- oder Nicht-verstan-
den-werden dieser Schriften berührt. Ich thue es so nachlässig, als es sich irgend-
wie schickt: denn diese Frage ist durchaus noch nicht an der Zeit. Ich selber bin
noch nicht an der Zeit, Einige werden posthum geboren.] Vgl. NK KSA 6, 61, 10-
12 u. NK KSA 6, 167, 5 f. N. verspricht in EH Vorwort 1, KSA 6, 257, 5 f. zu sagen,
wer er sei. Dieser Selbstdarstellung des sprechenden Ichs als nicht-krankhaf-
tem decadence-Überwinder sind die Kapitel „Warum ich so weise bin" und
„Warum ich so klug bin" gewidmet, während sich EH Warum ich so gute
Bücher schreibe den Produkten dieses Ichs zuwendet. Konsequenterweise
schließt EH mit einem Kapitel „Warum ich ein Schicksal bin" — nämlich einer-
seits, weil dieses Ich solche weltverändernden Schriften hervorgebracht hat,
und andererseits, weil es eben ein exemplarisches Individuum für die Welt
der Zukunft darstellt. Daraus lässt sich eine dreiteilige Grobgliederung von EH
ableiten: 1. Darstellung des sprechenden Ichs, 2. Darstellung seines Werkes, 3.
Synthese beider Aspekte im Blick auf die weltgeschichtliche Schicksalhaftigkeit
der Metonymie „N.". Zum Problem des Verstandenwerdens siehe auch Steg-
maier 1992, 169-171.
298, 8-12 Irgend wann wird man Institutionen nöthig haben, in denen man lebt
und lehrt, wie ich leben und lehren verstehe; vielleicht selbst, dass man dann
auch eigene Lehrstühle zur Interpretation des Zarathustra errichtet.] Zur Synthe-
tisierung von Leben und Lehre im Kapitel „Warum ich ein Schicksal bin" siehe
NK 298, 3-8. N. hat die Vorstellung einer Institutionalisierung der eigenen
Lebens- und Denkform schon früh im Gespräch mit seinen Freunden Overbeck
und Rohde angedacht. Angeregt von einem Brief Rohdes vom 11. 12. 1870 (KGB
II 2, Nr. 138, S. 280-283) malte N. in seiner Anwort vom 15. 12. 1870 die Grün-
 
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