Stellenkommentar EH Bücher, KSA 6, S. 302 463
von Denken und Leben fehlt bei mir. Meine ,Theorie' wächst aus meiner Pra-
xis' — oh aus einer durchaus nicht harmlosen und unbedenklichen Praxis!...
Hören wir, was uns Zarathustra darüber zu verstehn giebt, derselbe, der den
Satz aufrecht hält ,gute Menschen reden nie die Wahrheit!' — :/ — das verwe-
gene Wagen, das lange Mißtrauen, das grausame / Nein, das Schneiden ins
Lebendige — wie selten kommt das zusammen! / aber aus solchem Samen
wird Wahrheit gezeugt. / Alles, was den Guten böse heißt, muß zusammen-
kommen, daß eine Wahrheit geboren werde..." (KSA 14, 484 f.; die Zitate am
Schluss variieren Za III Von alten und neuen Tafeln 7, KSA 4, 251, 15 f. u. 21-
27, vgl. auch NK KSA 6, 401, 19). Die letzte Version von EH Warum ich so gute
Bücher schreibe 3 verfasste N. für die Revision Anfang Dezember 1888.
302, 15-18 in einzelnen Fällen ist es mir auch bezeugt, wie sehr die Gewöhnung
an meine Schriften den Geschmack „verdirbt". Man hält einfach andre Bücher
nicht mehr aus, am wenigsten philosophische.] Vgl. N.s Briefentwurf an Over-
beck, nach dem 20. 07. 1888: „Aber seit der Zeit, wo ich meinen Z[arathustra]
auf dem Gewissen habe, bin ich wie ein Thier, das auf eine unbeschreibliche
Weise fortwährend verwundet wird. Diese Wunde besteht darin, keine Ant-
wort, keinen Hauch von Antwort gehört zu haben... Dies Buch steht so abseits,
ich möchte sagen jenseits aller Bücher, daß es eine vollkommene Qual ist,
es geschaffen zu haben [...]. Die Moral ist: man kann daran zu Grunde gehen
etwas Unsterbliches gemacht zu haben: man büßt es hinterdrein in jedem
Augenblick ab. Es verdirbt den Charakter, es verdirbt den Geschmack, es ver-
dirbt die Gesundheit. Sechs Sätze jenes Buches zu verstehen und erlebt zu
haben — das scheint mir Jeden bereits in eine höhere, fremdere Ordnung des
Sterblichen zu heben." (KSB 8, Nr. 1067, S. 363, Z. 6-23) Betonte N. in diesem
Briefentwurf die produktionsästhetische Seite des Schreibens und seine im
gegebenen Fall geschmacksverderbende Wirkung, stellt er sich in 302, 15-18
auf die rezeptionsästhetische Seite. Aus der Wirkung, die seine Schriften für
ihn selber haben, leitet N. zwanglos ab, wie sie auf andere wirken müssten.
302, 22 erlebt dabei wahre Ekstasen des Lernens] Das hat N. Köselitz' Brief an
ihn vom 25. 10. 1888, KGB III 6, Nr. 594, S. 337 entnommen: „Welche ,Aufklä-
rungen', welche Ekstasen des Lernens verdanke ich Ihrem weitregieren-
den Geiste!" Vgl. NK 366, 8.
302, 23 f. denn ich komme aus Höhen, die kein Vogel je erflog, ich kenne
Abgründe, in die noch kein Fuss sich verirrt hat] Siehe den Briefentwurf an
Unbekannt vom 27. 11. 1888, KSB 8, Nr. 1162, S. 495.
302, 24-26 Man hat mir gesagt, es sei nicht möglich, ein Buch von mir aus der
Hand zu legen, — ich störte selbst die Nachtruhe...] Breiter führte N. dies in NL
von Denken und Leben fehlt bei mir. Meine ,Theorie' wächst aus meiner Pra-
xis' — oh aus einer durchaus nicht harmlosen und unbedenklichen Praxis!...
Hören wir, was uns Zarathustra darüber zu verstehn giebt, derselbe, der den
Satz aufrecht hält ,gute Menschen reden nie die Wahrheit!' — :/ — das verwe-
gene Wagen, das lange Mißtrauen, das grausame / Nein, das Schneiden ins
Lebendige — wie selten kommt das zusammen! / aber aus solchem Samen
wird Wahrheit gezeugt. / Alles, was den Guten böse heißt, muß zusammen-
kommen, daß eine Wahrheit geboren werde..." (KSA 14, 484 f.; die Zitate am
Schluss variieren Za III Von alten und neuen Tafeln 7, KSA 4, 251, 15 f. u. 21-
27, vgl. auch NK KSA 6, 401, 19). Die letzte Version von EH Warum ich so gute
Bücher schreibe 3 verfasste N. für die Revision Anfang Dezember 1888.
302, 15-18 in einzelnen Fällen ist es mir auch bezeugt, wie sehr die Gewöhnung
an meine Schriften den Geschmack „verdirbt". Man hält einfach andre Bücher
nicht mehr aus, am wenigsten philosophische.] Vgl. N.s Briefentwurf an Over-
beck, nach dem 20. 07. 1888: „Aber seit der Zeit, wo ich meinen Z[arathustra]
auf dem Gewissen habe, bin ich wie ein Thier, das auf eine unbeschreibliche
Weise fortwährend verwundet wird. Diese Wunde besteht darin, keine Ant-
wort, keinen Hauch von Antwort gehört zu haben... Dies Buch steht so abseits,
ich möchte sagen jenseits aller Bücher, daß es eine vollkommene Qual ist,
es geschaffen zu haben [...]. Die Moral ist: man kann daran zu Grunde gehen
etwas Unsterbliches gemacht zu haben: man büßt es hinterdrein in jedem
Augenblick ab. Es verdirbt den Charakter, es verdirbt den Geschmack, es ver-
dirbt die Gesundheit. Sechs Sätze jenes Buches zu verstehen und erlebt zu
haben — das scheint mir Jeden bereits in eine höhere, fremdere Ordnung des
Sterblichen zu heben." (KSB 8, Nr. 1067, S. 363, Z. 6-23) Betonte N. in diesem
Briefentwurf die produktionsästhetische Seite des Schreibens und seine im
gegebenen Fall geschmacksverderbende Wirkung, stellt er sich in 302, 15-18
auf die rezeptionsästhetische Seite. Aus der Wirkung, die seine Schriften für
ihn selber haben, leitet N. zwanglos ab, wie sie auf andere wirken müssten.
302, 22 erlebt dabei wahre Ekstasen des Lernens] Das hat N. Köselitz' Brief an
ihn vom 25. 10. 1888, KGB III 6, Nr. 594, S. 337 entnommen: „Welche ,Aufklä-
rungen', welche Ekstasen des Lernens verdanke ich Ihrem weitregieren-
den Geiste!" Vgl. NK 366, 8.
302, 23 f. denn ich komme aus Höhen, die kein Vogel je erflog, ich kenne
Abgründe, in die noch kein Fuss sich verirrt hat] Siehe den Briefentwurf an
Unbekannt vom 27. 11. 1888, KSB 8, Nr. 1162, S. 495.
302, 24-26 Man hat mir gesagt, es sei nicht möglich, ein Buch von mir aus der
Hand zu legen, — ich störte selbst die Nachtruhe...] Breiter führte N. dies in NL