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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0492
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Stellenkommentar EH Bücher, KSA 6, S. 304-305 469

„Ethos" (föog) —, freilich nur als ein Moment unter vielen: „Pathos ist lebhaft
bewegte, feurige, fortreissende Leidenschaftlichkeit, dem Ethos fällt mehr das
Rührende und das sogenannte Gemüthliche zu" (ebd., 445). Zur Entwicklung
von N.s Stilreflexionen vgl. Gauger 1986, Nehamas 1994 u. Simonis 2004, zum
spezifischen Stil von EH Gauger 1984.
304, 8-12 in Anbetracht, dass die Vielheit innerer Zustände bei mir ausseror-
dentlich ist, giebt es bei mir viele Möglichkeiten des Stils — die vielfachste Kunst
des Stils überhaupt, über die je ein Mensch verfügt hat] Vgl. NK KSA 6, 155, 21-
24. In GD Was ich den Alten verdanke 4 wird die Stilpluralität bei Platon als
decadence-Symptom verworfen, während N. sie in EH Warum ich so gute
Bücher schreibe 4 an sich selber gerade über die Maßen lobt.
304, 15 Kunst der Gebärde] Die „Gebärde" ist ein wichtiges Thema bei Wagner
und in GT, vgl. NK KSA 1, 33, 31-34, 4. Als „Kunst der Gebärde" gilt traditionell
die Mimik (Zeising 1855, 468), die mit der Wortkunst gerade nicht identifiziert
wird. Dass N. hier Satzperiodenbau als „Kunst der Gebärde" verstanden wissen
will, unterstreicht den übergreifenden Gesamtkunst-Anspruch seines Stilbe-
griffs, der entgrenzt statt (wie z. B. bei Wackernagel) auf das Schreiben und
Sprechen eingeengt werden soll. Es geht nicht einfach um eine bestimmte, gute
Schreibart, sondern um eine alle Ausdrucksbereiche umfassende Artikulation
innerer Zustände. So wird auch in GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 11,
KSA 6, 118 f. der „grosse Stil" an Stelle der Schriftstellerei an der Architektur
exemplifiziert.
304, 16 f. eine reine Thorheit, blosser „Idealismus"] Wagner hatte in sei-
nem Parsifal nicht nur den Titelhelden vom reinen Toren zum Erlöser aufstei-
gen lassen, sondern nach Meinung der Wagnerianer „seinem deutschen Volke
[...] den ihm eigenen Sinn [...] für das Ideale wiedererweckt" (Nohl o. J., 120).
Vgl. NK KSA 6, 130, 14-17.
304, 17 das „Schöne an sich"] Vgl. NK KSA 6, 123, 8-15.
304, 18 „Ding an sich") Kants Begriff vom „Ding an sich" ist bei N. wieder-
holt Gegenstand satirischer Attacken, vgl. z. B. NK KSA 6, 130, 1-3 u. KSA 6,
184, 31.
304, 32-305, 1 der grosse Stil der Periodik] Dem „grossen Stil" ohne erläu-
ternden Zusatz steht N. andernorts durchaus ambivalent gegenüber, vgl. NK
KSA 6, 14, 5 u. NK KSA 6, 119, 1-8. Zur Beschreibung seines eigenen Schreibens
zieht N. „Kunst des Stils" (304, 6) vor.
305, 3-5 mit einem Dithyrambus wie dem letzten des dritten Zarathustra,
„die sieben Siegel" überschrieben, flog ich tausend Meilen über das hinaus, was
 
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