472 Ecce homo. Wie man wird, was man ist
hohl und will voll werden, Dieser ist überfüllt und will sich ausleeren, — Beide
treibt es, sich ein Individuum zu suchen, das ihnen dazu dient. Und diesen
Vorgang, im höchsten Sinne verstanden, nennt man beidemal mit Einem
Worte: Liebe, — wie? die Liebe sollte etwas Unegoistisches sein?" N.s ehemali-
ger Freund Paul Ree hatte in seinem Ursprung der moralischen Empfindungen
(1877, 1 = Ree 2004, 127) einen „unegoistischen Trieb" angenommen (vgl. NK
KSA 6, 133, 23-25). Herbert Spencer hatte wiederum in seinen Data of Ethics
behauptet, jede Gesellschaft reinige sich „fortwährend von den zu egoistischen
Individuen", weil ein „Mangel an unegoistischen Handlungen" Nachkommen-
schaft verhindere, genauer „die zukünftigen Generationen, welche nicht hin-
länglich unegoistisch sind. Der durchschnittliche Egoismus nimmt also ab."
(Spencer 1879, 204, zitiert in Ree 1885, 239, Anm. 87 = Ree 2004, 346, Anm. 85).
305, 28-307, 13 Darf ich anbei die Vermuthung wagen, dass ich die Weiblein
kenne ? Das gehört zu meiner dionysischen Mitgift. Wer weiss? vielleicht bin ich
der erste Psycholog des Ewig-Weiblichen. Sie lieben mich Alle — eine alte
Geschichte: die verunglückten Weiblein abgerechnet, die „Emancipirten",
denen das Zeug zu Kindern abgeht. — Zum Glück bin ich nicht Willens mich
zerreissen zu lassen: das vollkommne Weib zerreisst, wenn es liebt... Ich kenne
diese liebenswürdigen Mänaden... Ah, was für ein gefährliches, schleichendes,
unterirdisches kleines Raubthier! Und so angenehm dabei!... Ein kleines Weib,
das seiner Rache nachrennt, würde das Schicksal selbst über den Haufen ren-
nen. — Das Weib ist unsäglich viel böser als der Mann, auch klüger; Güte am
Weibe ist schon eine Form der Entartung... Bei allen sogenannten „schönen
Seelen" giebt es einen physiologischen Übelstand auf dem Grunde, — ich sage
nicht Alles, ich würde sonst medi-cynisch werden. Der Kampf um gleiche
Rechte ist sogar ein Symptom von Krankheit: jeder Arzt weiss das. — Das Weib,
je mehr Weib es ist, wehrt sich ja mit Händen und Füssen gegen Rechte über-
haupt: der Naturzustand, der ewige Krieg zwischen den Geschlechtern giebt
ihm ja bei weitem den ersten Rang. [...] „Emancipation des Weibes" — das ist
der Instinkthass des missrathenen, das heisst gebäruntüchtigen Weibes
gegen das wohlgerathene, — der Kampf gegen den „Mann" ist immer nur Mittel,
Vorwand, Taktik. Sie wollen, indem sie sich hinaufheben, als „Weib an sich",
als „höheres Weib", als „Idealistin" von Weib, das allgemeine Rang-Niveau des
Weibes herunter bringen; kein sichereres Mittel dazu als Gymnasial-Bildung,
Hosen und politische Stimmvieh-Rechte. Im Grunde sind die Emancipirten die
Anarchisten in der Welt des „Ewig-Weiblichen", die Schlechtweggekomme-
nen, deren unterster In,stinkt Rache ist... Eine ganze Gattung des bösartigsten
„Idealismus" — der übrigens auch bei Männern vorkommt, zum Beispiel bei Hen-
rik Ibsen, dieser typischen alten Jungfrau — hat als Ziel das gute Gewissen, die
Natur in der Geschlechtsliebe zu vergiften... Und damit ich über meine in
hohl und will voll werden, Dieser ist überfüllt und will sich ausleeren, — Beide
treibt es, sich ein Individuum zu suchen, das ihnen dazu dient. Und diesen
Vorgang, im höchsten Sinne verstanden, nennt man beidemal mit Einem
Worte: Liebe, — wie? die Liebe sollte etwas Unegoistisches sein?" N.s ehemali-
ger Freund Paul Ree hatte in seinem Ursprung der moralischen Empfindungen
(1877, 1 = Ree 2004, 127) einen „unegoistischen Trieb" angenommen (vgl. NK
KSA 6, 133, 23-25). Herbert Spencer hatte wiederum in seinen Data of Ethics
behauptet, jede Gesellschaft reinige sich „fortwährend von den zu egoistischen
Individuen", weil ein „Mangel an unegoistischen Handlungen" Nachkommen-
schaft verhindere, genauer „die zukünftigen Generationen, welche nicht hin-
länglich unegoistisch sind. Der durchschnittliche Egoismus nimmt also ab."
(Spencer 1879, 204, zitiert in Ree 1885, 239, Anm. 87 = Ree 2004, 346, Anm. 85).
305, 28-307, 13 Darf ich anbei die Vermuthung wagen, dass ich die Weiblein
kenne ? Das gehört zu meiner dionysischen Mitgift. Wer weiss? vielleicht bin ich
der erste Psycholog des Ewig-Weiblichen. Sie lieben mich Alle — eine alte
Geschichte: die verunglückten Weiblein abgerechnet, die „Emancipirten",
denen das Zeug zu Kindern abgeht. — Zum Glück bin ich nicht Willens mich
zerreissen zu lassen: das vollkommne Weib zerreisst, wenn es liebt... Ich kenne
diese liebenswürdigen Mänaden... Ah, was für ein gefährliches, schleichendes,
unterirdisches kleines Raubthier! Und so angenehm dabei!... Ein kleines Weib,
das seiner Rache nachrennt, würde das Schicksal selbst über den Haufen ren-
nen. — Das Weib ist unsäglich viel böser als der Mann, auch klüger; Güte am
Weibe ist schon eine Form der Entartung... Bei allen sogenannten „schönen
Seelen" giebt es einen physiologischen Übelstand auf dem Grunde, — ich sage
nicht Alles, ich würde sonst medi-cynisch werden. Der Kampf um gleiche
Rechte ist sogar ein Symptom von Krankheit: jeder Arzt weiss das. — Das Weib,
je mehr Weib es ist, wehrt sich ja mit Händen und Füssen gegen Rechte über-
haupt: der Naturzustand, der ewige Krieg zwischen den Geschlechtern giebt
ihm ja bei weitem den ersten Rang. [...] „Emancipation des Weibes" — das ist
der Instinkthass des missrathenen, das heisst gebäruntüchtigen Weibes
gegen das wohlgerathene, — der Kampf gegen den „Mann" ist immer nur Mittel,
Vorwand, Taktik. Sie wollen, indem sie sich hinaufheben, als „Weib an sich",
als „höheres Weib", als „Idealistin" von Weib, das allgemeine Rang-Niveau des
Weibes herunter bringen; kein sichereres Mittel dazu als Gymnasial-Bildung,
Hosen und politische Stimmvieh-Rechte. Im Grunde sind die Emancipirten die
Anarchisten in der Welt des „Ewig-Weiblichen", die Schlechtweggekomme-
nen, deren unterster In,stinkt Rache ist... Eine ganze Gattung des bösartigsten
„Idealismus" — der übrigens auch bei Männern vorkommt, zum Beispiel bei Hen-
rik Ibsen, dieser typischen alten Jungfrau — hat als Ziel das gute Gewissen, die
Natur in der Geschlechtsliebe zu vergiften... Und damit ich über meine in