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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0515
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492 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

und Bildung: „Wenn all die riesige Kraft unsrer Maschinen und die durch Thei-
lung der Arbeit so unendlich vervollkommneten Leistungen der Menschenhand
darauf verwandt würden, um Jedem das zu geben, was erforderlich ist, um das
Leben erträglich zu machen und dem Geist Musse und Mittel zu seiner höheren
Entfaltung zu bieten, so wäre vielleicht schon jetzt die Möglichkeit vorhanden,
ohne Beeinträchtigung der geistigen Aufgabe der Menschheit, die Segnungen
der Cultur über alle Stände zu verbreiten; allein dies ist bisher nicht die Rich-
tung der Zeit." (Lange 1866, 505, vgl. Lange 1865, 159) N. wandte sich gerade
in seinen Unzeitgemässen Betrachtungen gegen ein solches Verständnis von
Kultur, die er einer schmalen Elite vorbehalten wissen wollte. Lange hatte sich
auch zur Problematik der Arbeitsteilung in den Wissenschaften kritisch geäu-
ßert, die zu fruchtlosem Spezialistentum führen könne (Lange 1866, 398 sowie
Lange 1865, 44-46 u. 62).
316, 22-317, 5 In der dritten und vierten Unzeitgemässen werden, als Fin-
gerzeige zu einem höheren Begriff der Cultur, zur Wiederherstellung des
Begriffs „Cultur", zwei Bilder der härtesten Selbstsucht, Selbstzucht
dagegen aufgestellt, unzeitgemässe Typen par excellence, voll souverainer Ver-
achtung gegen Alles, was um sie herum „Reich", „Bildung", „Christenthum",
„Bismarck", „Erfolg" hiess, — Schopenhauer und Wagner oder, mit Einem Wort,
Nietzsche...] Folgendermaßen hat sich N. in seinem Brief an Brandes vom
19. 02. 1888, also einige Monate vor der Niederschrift von EH, vernehmen las-
sen: „Die beiden Schriften über Schopenhauer und Richard Wagner stellen,
wie mir heute scheint, mehr Selbstbekenntnisse, vor allem Selbstgelöb-
nisse über mich dar als etwa eine wirkliche Psychologie jener mir ebenso tief
verwandten als antagonistischen Meister. (— ich war der Erste, der aus Beiden
eine Art Einheit destillirte: jetzt ist dieser Aberglaube sehr im Vordergründe
der deutschen Cultur: alle Wagnerianer sind Anhänger Schopenhauers."
(KSB 8, Nr. 997, S. 260, Z. 52-59) Am 09. 12. 1888 äußerte sich N. ähnlich gegen-
über Köselitz, nicht ohne zu behaupten, die Entdeckung sei erst zwei Wochen
alt: „Über die dritte und vierte Unzeitgemäße werden Sie in Ecce homo
eine Entdeckung lesen, daß Ihnen die Haare zu Berge stehn — mir standen
sie auch zu Berge. Beide reden nur von mir, anticipando... Weder Wagner,
noch Schopenhauer kamen psychologisch drin vor... Ich habe beide Schriften
erst seit 14 Tagen verstanden." (KSB 8, Nr. 1181, S. 515, Z. 74-80) Zu N.s
Substitution von Schopenhauer und Wagner durch sich selbst vgl. z. B. Kofman
1993, 119-128, ferner ebd., 111 u. 116.
317, 4 f. oder, mit Einem Wort, Nietzsche...] Im Druckmanuskript korrigiert
aus: „ . Aber es kam der Tag, wo Wagner herabstieg, — herunterkam; wo
er seine Hände Allem entgegenstreckte, was sich mit ihm versöhnen wollte,
 
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