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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0523
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500 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

Geschmacklosigkeit aus. Unbarmherzig, schonungslos, ja zuweilen respectlos
gegen den Gegner, erscheint der Angreifer doch nicht als persönlich: man
fühlt, er bekämpft in Strauß nur den Mann, in dem sich ihm die ganze herr-
schende Richtung verkörpert" (ebd., 294). Und tatsächlich akzentuierte Hille-
brand noch N.s Sprachkritik: „Uns scheint sogar Nietzsche nicht genugsam
hervorgehoben zu haben, wie tief, trotz einzelner wohlthuender Ausnahmen,
der Verfall unserer Sprache überhaupt ist. Die Deutschen pflegen sich in dieser
Beziehung einer argen Selbsttäuschung hinzugeben." (Ebd., 295. Am Ende des
Zitats von N. mit einer spitzen Klammer markiert.) Hillebrand geißelte auf den
nächsten Seiten die Verschluderung der Sprache, um diesen Abschnitt zu
schließen: „Daß aber der zornesmuthige Kläger sich gerade gegen Strauß
gewandt und in ihm die Mode gewordene Liederlichkeit unserer Sprachverder-
ber gegeißelt, können wir ihm, wenn er auch etwas weit geht in seinem kriti-
schen Eifer, nur zum Ruhm anrechnen: denn ein unerbittliches Gericht dieser
Art verfehlt seinen Eindruck wenn es über obscure Leitartikler gehalten wird,
und der Muth die Lieblinge des Volkes auf die Anklagebank zu bringen, ist
von jeher die höchste Arth des Muthes gewesen." (Ebd., 298. Zu Beginn des
Zitats von N. mit einer spitzen Klammer markiert.) Damit „endete" Hillebrand
jedoch keineswegs; vielmehr begann erst jetzt die eigentliche Auseinanderset-
zung mit den inhaltlichen Aspekten von Strauß' Altem und neuem Glauben und
N.s Erwiderung, die den größten Raum in der Besprechung einnimmt. Diese
inhaltlichen Aspekte blendet N. nicht nur bei der Rekapitulation von Hille-
brands Rezension, sondern insgesamt bei seiner Retraktation von UB I DS in
EH weitgehend aus. Konsequent stellt er seine Schrift gegen Strauß im Spiegel
ihrer unmittelbaren Rezeption dar und konzentriert sich auf ihre performative
Kraft statt auf die mit Strauß damals geführte Diskussion um die Angemessen-
heit, ja Notwendigkeit eines neuen, wissenschaftsaffinen „Glaubens".
Was den „vollkommnen Takt" angeht, den Hillebrand laut N. seiner Anti-
Strauß-Polemik attestiert habe, so ist der Wortlaut der Rezension dieser
Behauptung geradezu entgegengesetzt: „von einer gewissen Tactlosigkeit kön-
nen wir Hrn. Nietzsche nicht freisprechen" (ebd., 304).
319, 2 f. Mein Paradies ist „unter dem Schatten meines Schwertes"...] Vgl. NL
1884, KSA 11, 25[3], 10: „,Das Paradies ist unter dem Schatten der Schwerter.'
Orient" (dazu NL 1884/85, KSA 11, 29[1], 333 u. 31[44], 380 u. 31[61], 390 -
jeweils Vorarbeiten zu Za IV Gespräch mit den Königen, KSA 4, 304-307, wo
freilich das Schwert keinen Schatten mehr wirft). Philosophisch aufbereitet
wird das Wort dann in NL 1885/86, KSA 12, 2[19], 75 (KGW IX 5, W I 8, 237, 7-
12, hier nur in der von N. korrigierten Version wiedergegeben): „,Das Paradies
ist unter dem Schatten der Schwerter' — auch ein Symbolon und Kerbholz-
 
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