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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0540
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Stellenkommentar EH MAM, KSA 6, S. 324 517

meine absolute Verborgenheit tausend Mal dem Zusammensein mit mittelmä-
ßigen Schwarmgeistern vor." (KSB 6, Nr. 566, S. 573, Z. 37-41).
KGB III 7/1, S. 539 vermerkt dazu: „Mit ,Kohl' in Anführungszeichen ist
vermutlich kein drittes Individuum gemeint, sondern ein Urteil über die aufge-
wachsenen Produkte jener Kritiker angedeutet". Gegen diese Lesart könnte der
in NK 322, 1-328, 25 mitgeteilte, schließlich gestrichene Absatz aus der sog.
Oktober-Fassung von EH sprechen: „Der Rest und, wenn man will, auch die
Unschuld der ,Sache' waren die Idioten, die Nohl, Pohl, Kohl — letzterer der
genius loci in Bayreuth —, die eigentlichen Wagnerianer von Rasse, eine gott-
und geistverlassene Bande mit starkem Magen, die Alles herunterfraß, was
der Meister ,abfallen' ließ." Janz 1978, 2, 361 und ihm folgend KSA 14, 493
identifizieren Kohl mit dem Reiseschriftsteller Johann Georg Kohl (1808-1878),
dessen Vortrag Ueber Klangmalerei in der deutschen Sprache (Berlin 1873 —
Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge, Serie 8, Heft 175)
nach Janz „Wagners Technik des Stabreimes" gestützt habe. Jedoch spielte der
fragliche Kohl beispielsweise in den Bayreuther Blättern keine Rolle. Nahelie-
gender ist vielleicht ein Bezug N.s auf einen Eintrag in Wilhelm Tapperts Wag-
ner-Lexicon von 1877: „Kohl, Bayreuther, ,0b die 5432 Thlr. 10 Sgr. (Ertrag des
Wagner-Concertes in Berlin) den bayreuther Kohl fett machen werden',
darüber zerbrach sich 1873 der ,Echo'-Redacteur — ich hätte bald gesagt — den
Kopf!" (Tappert 1877, 20).
324, 9 mit Grazie in infinitum!] In seiner WA-Besprechnung hat Pohl gegen N.s
neue Bizet-Präferenz geschrieben: „Da haben wir den Genussmenschen, der
zwanzigmal in ,Carmen' läuft. Es soll ihm Alles leicht und angenehm zurecht
gemacht werden; nur keine Aufregung, keine Erschütterung. Das Tragische,
das Pathos, der Affect — Alles überflüssige Anstrengung, nervenzerstörende,
schädliche Dinge. ,Graziös' — das Lieblingswort der Franzosen — graziös soll
Alles sein. Man soll mit Grazie lügen, mit Grazie betrügen, mit Grazie verra-
then, mit Grazie sterben — siehe ,Carmen'." (KGB III 7/3, 2, S. 1030) Weder in
WA noch sonst in irgendeinem Werk N.s lässt sich freilich der Ausdruck „gra-
ziös" nachweisen; „Grazie" kommt in den Schriften von 1888 nur in 324, 9 als
unmittelbare Antwort auf Pohl vor. Hingegen hatte N. in WA 10, KSA 6, 37, 15 f.
„la gaya scienza; die leichten Füsse; Witz, Feuer, Anmuth" bei Wagner ver-
misst. Pohl zitierte diese Stelle leicht variiert (KGB III 7/3, 2, S. 1029 f.); auf das
Zitat folgte der Passus mit dem „Genussmenschen".
Die Wendung „mit Grazie in infinitum" findet sich am Ende der letzten
Strophe von Goethes Frühlingsorakel aus den Geselligen Liedern: „Leben ist ein
großes Fest, / Wenn sich's mit [sic] berechnen läßt. / Sind wir nun zusammen
blieben, / Bleibt denn auch das treue Lieben? / Könnte das zu Ende gehn, /
Wär' doch alles nicht mehr schön. / Cou, Coucou, Cou, Coucou, / Cou, Cou,
 
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