560 Ecce homo. Wie man wird, was man ist
Ich schlief gut, ich lachte viel —, ich war von einer vollkomm(n)en Rüstigkeit und
Geduld.] Bevor N. während der Entstehung von Za III von solchen berauschen-
den Glücksgefühlen ergriffen wurde, hatte er sehr gelitten, was er an dieser
Stelle in EH übergeht (vgl. dagegen NK 341, 31-342, 1). So klagte er kurz vorher:
„ich weiß nicht mehr wo aus, noch ein. Die ungeheure Masse von Gemüthsqua-
len hat mich in alle Fundamente hinein zu Schaden gebracht. [...] Krank,
krank, krank! Was kann die vernünftigste Lebensweise ausrichten, wenn alle
Augenblicke einmal die Vehemenz des Gefühls dazwischen schlägt wie ein
Blitz und die Ordnung aller leiblichen Funktionen umstößt" (N. an Overbeck,
24. 12. 1883, KSB 6, Nr. 477, S. 462 f., Z. 10-46). Seiner Mutter und Schwester
gegenüber präzisierte er die physiologische Art seines Leidens: „Wahr ist es
nun freilich, daß es mir erbärmlich schlecht geht und gegangen ist [...]. Ewig
Erbrechen, Schlaflosigkeit, schwermüthige Gedanken über die alten Dinge, all-
gemeines Unbehagen des Kopfes, spitzige Schmerzen in den Augen" (25. 12.
1883, KSB 6, Nr. 478, S. 463 f., Z. 8-19).
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341, 31-342, 32 Die Mappe XVI 5 enthält eine frühere Fassung dieses
Abschnitts, die N. bei der Revision von Anfang Dezember 1888 ersetzte. Sie
lautet: „Das Problem, über die vier Jahre während und nach dem Zarathustra
hinwegzukommen, war ungeheuer. Es ist bei weitem die wundenreichste, auch
die trostärmste Zeit meines Lebens. Denn man übersehe es nicht: alle großen
Dinge, Werke oder Thaten, sind furchtbar, sobald sie vollbracht sind, — sie
wenden sich unverzüglich gegen ihren Thäter. Und er ist, eben damit, daß
er sie that, schwächer als er jemals war!... Das Gefühl mit sich herumtragen,
Etwas gethan zu haben, was über alles Menschenmögliche hinaus liegt, was
man nie wollen durfte, Etwas, worin vielleicht der Knoten im Schicksal der
Menschheit vielleieht geknüpft ist — und sich schwach fühlen... Man sieht
um sich. Überall Öde, Todtenstille, — keine Ohren... Im besten Fall eine Art
Revolte. — Eine solche Revolte erfuhr ich, in sehr verschiedenen Graden, aber
fast von Jedermann, der mir nahe stand. Die Menschen hassen nichts mehr als
ein plötzliches Sichtbarwerden von Distanz, wo sie gleiche Rechte zu haben
wähnten. Ferner Stehende, durch Zufall mit dem Zarathustra in Berührung
gekommen gebracht, sprützten auf der Stelle Wuth und Gift gegen mich. Ich
schmeichle ihnen, wenn ich's Gift nenne, es war etwas Anderes, es roch
schlecht... Und wie um mich über mein Ja zum Leben auf die Probe zu
stellen, überfielen mich damals gerade die Kleinheiten, die Jämmerlichkei-
ten der Menschen bis zur Seekrankheit am Leben. Denn man erwäge es ernst:
Ich schlief gut, ich lachte viel —, ich war von einer vollkomm(n)en Rüstigkeit und
Geduld.] Bevor N. während der Entstehung von Za III von solchen berauschen-
den Glücksgefühlen ergriffen wurde, hatte er sehr gelitten, was er an dieser
Stelle in EH übergeht (vgl. dagegen NK 341, 31-342, 1). So klagte er kurz vorher:
„ich weiß nicht mehr wo aus, noch ein. Die ungeheure Masse von Gemüthsqua-
len hat mich in alle Fundamente hinein zu Schaden gebracht. [...] Krank,
krank, krank! Was kann die vernünftigste Lebensweise ausrichten, wenn alle
Augenblicke einmal die Vehemenz des Gefühls dazwischen schlägt wie ein
Blitz und die Ordnung aller leiblichen Funktionen umstößt" (N. an Overbeck,
24. 12. 1883, KSB 6, Nr. 477, S. 462 f., Z. 10-46). Seiner Mutter und Schwester
gegenüber präzisierte er die physiologische Art seines Leidens: „Wahr ist es
nun freilich, daß es mir erbärmlich schlecht geht und gegangen ist [...]. Ewig
Erbrechen, Schlaflosigkeit, schwermüthige Gedanken über die alten Dinge, all-
gemeines Unbehagen des Kopfes, spitzige Schmerzen in den Augen" (25. 12.
1883, KSB 6, Nr. 478, S. 463 f., Z. 8-19).
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341, 31-342, 32 Die Mappe XVI 5 enthält eine frühere Fassung dieses
Abschnitts, die N. bei der Revision von Anfang Dezember 1888 ersetzte. Sie
lautet: „Das Problem, über die vier Jahre während und nach dem Zarathustra
hinwegzukommen, war ungeheuer. Es ist bei weitem die wundenreichste, auch
die trostärmste Zeit meines Lebens. Denn man übersehe es nicht: alle großen
Dinge, Werke oder Thaten, sind furchtbar, sobald sie vollbracht sind, — sie
wenden sich unverzüglich gegen ihren Thäter. Und er ist, eben damit, daß
er sie that, schwächer als er jemals war!... Das Gefühl mit sich herumtragen,
Etwas gethan zu haben, was über alles Menschenmögliche hinaus liegt, was
man nie wollen durfte, Etwas, worin vielleicht der Knoten im Schicksal der
Menschheit vielleieht geknüpft ist — und sich schwach fühlen... Man sieht
um sich. Überall Öde, Todtenstille, — keine Ohren... Im besten Fall eine Art
Revolte. — Eine solche Revolte erfuhr ich, in sehr verschiedenen Graden, aber
fast von Jedermann, der mir nahe stand. Die Menschen hassen nichts mehr als
ein plötzliches Sichtbarwerden von Distanz, wo sie gleiche Rechte zu haben
wähnten. Ferner Stehende, durch Zufall mit dem Zarathustra in Berührung
gekommen gebracht, sprützten auf der Stelle Wuth und Gift gegen mich. Ich
schmeichle ihnen, wenn ich's Gift nenne, es war etwas Anderes, es roch
schlecht... Und wie um mich über mein Ja zum Leben auf die Probe zu
stellen, überfielen mich damals gerade die Kleinheiten, die Jämmerlichkei-
ten der Menschen bis zur Seekrankheit am Leben. Denn man erwäge es ernst: