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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0586
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Stellenkommentar EH Zarathustra, KSA 6, S. 341-342 563

tumskritiker N.s prophetischer Ton und Welterlösungsanspruch zu schaffen
machte: „so wenig ich meine Grundbedenken dagegen dabei überwinden
konnte, die Zukunft der Menschheit überhaupt in solchen Höhen und Spitzen
anzufassen, noch weniger als es Anderen besser dafür Gestimmten gelingen
mag auch trotz der Schwebe, in welcher das Ganze uns einstweilen verlässt,
so haben mich doch viele besonders hohe Schönheiten darin genug ergriffen
um mir begreiflich zu machen, dass Du noch nichts Höheres geleistet zu haben
meinst." (Overbeck an N., 13. 11. 1883, KGB III 2, Nr. 215, S. 408, Z. 35-43) Erwin
Rohde konnte in seinem Brief an N. vom 22. 12. 1883 dem Werk sehr viel mehr
abgewinnen als den vorangegangenen Aphorismenbüchern: „Ich beglückwün-
sche Dich zu dieser freieren Form der Darlegung Deiner Ansichten, die doch
nicht bloß als Form neu ist und von Deinen früheren Sentenzenketten verschie-
den." (KGB III 2, Nr. 218, S. 412, Z. 12-15) N. jedoch sah in seiner Antwort vom
22. 02. 1884 einen breiten Graben zwischen sich und dem alten Freund klaffen:
„ich weiß nicht, wie es zugieng: aber als ich Deinen letzten Brief las [...] da
war mir's, als ob Du mir die Hand drücktest und mich dabei schwermüthig
ansähest: schwermüthig als ob Du sagen wolltest ,Wie ist es nur möglich, daß
wir so wenig noch gemein haben und wie in verschiedenen Welten leben! Und
einstmals -"' (KSB 6, Nr. 490, S. 478, Z. 3-8). Sehr angetan, wenn auch kurz
angebunden gab sich Heinrich von Stein in seinem Brief vom 04. 10. 1883:
„Welcher Segen ruht auf diesem Buche, wenn es in einem Einzigen die grosse
Sehnsucht — und zugleich das: Bleibt der Erde treu! bestärkt" (KGB III 2,
Nr. 210, S. 401, Z. 5-7). Gottfried Keller beließ es am 28. 09. 1884 bei unverbind-
lichen Dankesworten (KGB III 2, Nr. 243, S. 457); wenig mehr hatte Franz von
Lenbach am 24. 05. 1883 zu sagen (KGB III 2, Nr. 196, S. 379).
Aber auch Zeugnisse rückhaltloser Bewunderung erreichten N. nach der
Publikation von Za: „Moegen Sie es einem ungekannten Jünger nicht versagen,
Ihnen über die Apenninen hinüber nicht ein Wort des Dankes zuzurufen, wohl
aber ein leises Zeichen inniger Verehrung und Zuneigung zu zeigen." (Paul
Lanzky an N., 19. 10. 1883, KGB III 2, Nr. 212, S. 402, Z. 3-6) Nicht weniger
enthusiastisch ließ sich Paul Widemann am 24. 07. 1885 vernehmen: „Zu Ihrem
Zarathustra beglückwünsche ich Sie mit wahrer Begeisterung. Das ist ein groß-
artiges, ein entscheidendes Werk, ein Buch ohne Gleichen. Das Ideal des Über-
menschen, das Sie darin aufgestellt haben, halte ich für gewaltig genug, um
eine neue Culturepoche einzuleiten. Aus ihm ergiebt sich die einzig wahre
Moral und Lebensführung und unendlich viel Herrliches mehr. Heil uns, daß
wir nun einen sicheren Kompaß haben." (KGB III 4, Nr. 286, S. 39, Z. 24-30).
Allerdings waren solche überschwänglichen Reaktionen die Ausnahme —
es überwogen Schweigen und Desinteresse. Das ist etwa an den Verkaufszahlen
abzulesen: „Der ,Zarathustra' findet", so ließ N.s Verleger Ernst Schmeitzner
 
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