562 Ecce homo. Wie man wird, was man ist
wer weiß, ob ich's geglaubt hätte? — Jedenfalls wollte ich das Buch nicht sehn,
ich besaß es ein paar Jahre nicht. Und in der That, es hatte Gefahr in sich,
mich hierin aufzuwecken. In einem besondern Fall, wo ich mitten in der Stille
des Oberengadin, ein Paar Druckbogen daraus wiederfand, war das über mich
zusammenstürzende Gefühl so stark, daß ich zusammenbrach und ein paar
Tage krank lag. —" (KSA 14, 496 f.).
341, 31-342, 1 Abgesehn von diesen Zehn-Tage-Werken waren die Jahre wäh-
rend und vor Allem nach dem Zarathustra ein Nothstand ohne Gleichen.] Zu
N.s Leiden während und nach der Zeit der Entstehung von Za vgl. NK 341, 31-
342, 32; ferner NK 336, 28-337, 1; 337, 1-4; 340, 19 und 341, 25-29. In scharfen
Kontrast zu diesem Leiden setzt N. mit dem Ausdruck „Zehn-Tage-Werke" sein
,Erschaffen' der einzelnen Bücher von Za, wobei die Anspielung auf die sechs
Schöpfungstage der Genesis eine in EH omnipräsente Tendenz zur Selbstapo-
theose verrät. Auch im Rahmen der Stilisierung seiner Schriften zum abge-
schlossenen Gesamtwerk (vgl. Groddeck 1984) ist die Zehnzahl für N. von
Bedeutung: Es ist mithin kein Zufall, dass N. in EH das aus „Zehn-Tage-Wer-
ken" bestehende Buch Also sprach Zarathustra als Zentrum und Höhepunkt
seines Gesamtwerks, in die Mitte der Retraktationen platziert, und dass diese
wiederum genau zehn Werke behandeln (zur Bedeutung der Zehnzahl als Kom-
positionsprinzip für N. vgl. auch Scheier 1990, XXXIII).
342, 2-10 Es giebt Etwas, das ich die rancune des Grossen nenne: alles Grosse,
ein Werk, eine That, wendet sich, einmal vollbracht, unverzüglich gegen den,
der sie that. Ebendamit, dass er sie that, ist er nunmehr schwach, — er hält
seine That nicht mehr aus, er sieht ihr nicht mehr in's Gesicht. Etwas hinter
sich zu haben, das man nie wollen durfte, Etwas, worin der Knoten im Schicksal
der Menschheit eingeknüpft ist — und es nunmehr auf sich haben!... Es zer-
drückt beinahe... Die rancune des Grossen!] Vgl. dazu die frühere Fassung von
EH Za 5 in NK 341, 31-342, 32.
342, 11-16 Ein Andres ist die schauerliche Stille, die man um sich hört. Die
Einsamkeit hat sieben Häute; es geht Nichts mehr hindurch. Man kommt zu
Menschen, man begrüsst Freunde: neue Öde, kein Blick grüsst mehr. Im besten
Falle eine Art Revolte. Eine solche Revolte erfuhr ich, in sehr verschiednem
Grade, aber fast von Jedermann, der mir nahe stand] Überblickt man die Reak-
tionen auf das Erscheinen von Za in N.s näherem Umfeld, so herrschte entge-
gen N.s Darstellung — auch in EH WA 4, KSA 6, 363, 19-21 — keineswegs gene-
relle Ablehnung vor (vgl. die Zusammenstellung einiger Reaktionen bei Kr I,
99-104). Franz Overbeck, der mit großer Anteilnahme Za I erwartet hatte (an
N., 25. 03. 1883, KGB III 2, Nr. 182, S. 356), blieb auch nach dem Erscheinen
freundschaftlich wohlwollend dem Werk gegenüber, so sehr ihm als Christen-
wer weiß, ob ich's geglaubt hätte? — Jedenfalls wollte ich das Buch nicht sehn,
ich besaß es ein paar Jahre nicht. Und in der That, es hatte Gefahr in sich,
mich hierin aufzuwecken. In einem besondern Fall, wo ich mitten in der Stille
des Oberengadin, ein Paar Druckbogen daraus wiederfand, war das über mich
zusammenstürzende Gefühl so stark, daß ich zusammenbrach und ein paar
Tage krank lag. —" (KSA 14, 496 f.).
341, 31-342, 1 Abgesehn von diesen Zehn-Tage-Werken waren die Jahre wäh-
rend und vor Allem nach dem Zarathustra ein Nothstand ohne Gleichen.] Zu
N.s Leiden während und nach der Zeit der Entstehung von Za vgl. NK 341, 31-
342, 32; ferner NK 336, 28-337, 1; 337, 1-4; 340, 19 und 341, 25-29. In scharfen
Kontrast zu diesem Leiden setzt N. mit dem Ausdruck „Zehn-Tage-Werke" sein
,Erschaffen' der einzelnen Bücher von Za, wobei die Anspielung auf die sechs
Schöpfungstage der Genesis eine in EH omnipräsente Tendenz zur Selbstapo-
theose verrät. Auch im Rahmen der Stilisierung seiner Schriften zum abge-
schlossenen Gesamtwerk (vgl. Groddeck 1984) ist die Zehnzahl für N. von
Bedeutung: Es ist mithin kein Zufall, dass N. in EH das aus „Zehn-Tage-Wer-
ken" bestehende Buch Also sprach Zarathustra als Zentrum und Höhepunkt
seines Gesamtwerks, in die Mitte der Retraktationen platziert, und dass diese
wiederum genau zehn Werke behandeln (zur Bedeutung der Zehnzahl als Kom-
positionsprinzip für N. vgl. auch Scheier 1990, XXXIII).
342, 2-10 Es giebt Etwas, das ich die rancune des Grossen nenne: alles Grosse,
ein Werk, eine That, wendet sich, einmal vollbracht, unverzüglich gegen den,
der sie that. Ebendamit, dass er sie that, ist er nunmehr schwach, — er hält
seine That nicht mehr aus, er sieht ihr nicht mehr in's Gesicht. Etwas hinter
sich zu haben, das man nie wollen durfte, Etwas, worin der Knoten im Schicksal
der Menschheit eingeknüpft ist — und es nunmehr auf sich haben!... Es zer-
drückt beinahe... Die rancune des Grossen!] Vgl. dazu die frühere Fassung von
EH Za 5 in NK 341, 31-342, 32.
342, 11-16 Ein Andres ist die schauerliche Stille, die man um sich hört. Die
Einsamkeit hat sieben Häute; es geht Nichts mehr hindurch. Man kommt zu
Menschen, man begrüsst Freunde: neue Öde, kein Blick grüsst mehr. Im besten
Falle eine Art Revolte. Eine solche Revolte erfuhr ich, in sehr verschiednem
Grade, aber fast von Jedermann, der mir nahe stand] Überblickt man die Reak-
tionen auf das Erscheinen von Za in N.s näherem Umfeld, so herrschte entge-
gen N.s Darstellung — auch in EH WA 4, KSA 6, 363, 19-21 — keineswegs gene-
relle Ablehnung vor (vgl. die Zusammenstellung einiger Reaktionen bei Kr I,
99-104). Franz Overbeck, der mit großer Anteilnahme Za I erwartet hatte (an
N., 25. 03. 1883, KGB III 2, Nr. 182, S. 356), blieb auch nach dem Erscheinen
freundschaftlich wohlwollend dem Werk gegenüber, so sehr ihm als Christen-