576 Ecce homo. Wie man wird, was man ist
genealogischen Perspektivierung dieses Sinns selbst dafür ein Anwendungs-
beispiel, erprobt aber andererseits die Selbstaufhebung dieses Sinns, denn
zweifellos schreibt N. sich selbst nicht nur guten Geschmack, sondern auch
Werke größter Vollendung und „halkyonischer Selbstgenügsamkeit" zu (vgl.
NK KSA 6, 37, 15), ohne deshalb in den Ahistorismus vormoderner, ,klassischer'
Epochen zurückzufallen.
351, llf. Zarathustra ist weitsichtiger noch als der Czar] N. spielt mit der Allite-
ration des russischen Kaisertitels und seiner persischen Prophetenfigur. Die
von N. gewählte, französische Schreibweise „Czar" für den russischen „Zar"
(siehe Meyer 1885-1892, 16, 832) deutet auf eine französische Quelle für die
dem Zaren zugebilligte Weitsicht hin. Beispielsweise spricht Anatole Leroy-
Beaulieu in L'empire des Tsars et les Russes von Zar Nikolaus I. als „Russe
sagace et clairvoyant" (Leroy-Beaulieu 1882, 2, 574). Die künftige weltpolitische
Bedeutung Russlands sagt N. in JGB 208, KSA 5, 139 f. voraus: „da wartet der
Wille — ungewiss, ob als Wille der Verneinung oder der Bejahung — in bedroh-
licher Weise darauf, ausgelöst zu werden" (KSA 5, 139, 27-29).
351, 22-27 Theologisch geredet — man höre zu, denn ich rede selten als Theo-
loge — war es Gott selber, der sich als Schlange am Ende seines Tagewerks unter
den Baum der Erkenntniss legte: er erholte sich so davon, Gott zu sein... Er hatte
Alles zu schön gemacht... Der Teufel ist bloss der Müssiggang Gottes an jedem
siebenten Tage...] Dass Gott am Ende zum Versucher, wenn nicht gar zum Teu-
fel wird — auch Mephisto stellt sich Faust bekanntlich mit den Worten vor, er
sei ,,[e]in Theil von jener Kraft, / Die stets das Böse will und stets das Gute
schafft" (Goethe: Faust I, V. 1335 f.) —, ist eine Vorstellung, der N. zwar nicht
direkt in der Sündenfallgeschichte von Genesis 3, dafür aber in der von ihm
rezipierten, religionsgeschichtlichen Literatur gelegentlich begegnen konnte,
vgl. z. B. Lippert 1882, 65: „Die Spätern haben in jener Schlange [sc. von Gene-
sis 3] den Teufel gesehen — die Bibel weiss nichts von solcher Deutung; aber
materiell besteht sie völlig zu Recht. Der Begriff des Teufels oder des Dämons
im christlichen Sinne, geht überall aus dem Kampfe eines Henotheismus her-
vor. Noch keinem ist es ganz gelungen, die concurrirenden Seelen in der Vor-
stellung der Menschengeschlechter um die Existenz zu bringen — sie bestehen
fort als ,Widersacher', Teufel und Dämonen." Dass sich N. in 351, 22-27 als der
Schöpfer von Also sprach Zarathustra in der Rolle Gottes sah, bedarf keiner
weiteren Erläuterung.
In AC 48, KSA 6, 226 f. deutete N. die Sündenfallgeschichte von Genesis 3
im Anschluss an Julius Wellhausens Prolegomena zur Geschichte Israels: „Eine
ähnliche Abschwächung des Mythischen hat [in Genesis 3] bei der Schlange
stattgefunden; man merkt nicht mehr recht, dass sie ein Dämon ist" (Wellhau-
genealogischen Perspektivierung dieses Sinns selbst dafür ein Anwendungs-
beispiel, erprobt aber andererseits die Selbstaufhebung dieses Sinns, denn
zweifellos schreibt N. sich selbst nicht nur guten Geschmack, sondern auch
Werke größter Vollendung und „halkyonischer Selbstgenügsamkeit" zu (vgl.
NK KSA 6, 37, 15), ohne deshalb in den Ahistorismus vormoderner, ,klassischer'
Epochen zurückzufallen.
351, llf. Zarathustra ist weitsichtiger noch als der Czar] N. spielt mit der Allite-
ration des russischen Kaisertitels und seiner persischen Prophetenfigur. Die
von N. gewählte, französische Schreibweise „Czar" für den russischen „Zar"
(siehe Meyer 1885-1892, 16, 832) deutet auf eine französische Quelle für die
dem Zaren zugebilligte Weitsicht hin. Beispielsweise spricht Anatole Leroy-
Beaulieu in L'empire des Tsars et les Russes von Zar Nikolaus I. als „Russe
sagace et clairvoyant" (Leroy-Beaulieu 1882, 2, 574). Die künftige weltpolitische
Bedeutung Russlands sagt N. in JGB 208, KSA 5, 139 f. voraus: „da wartet der
Wille — ungewiss, ob als Wille der Verneinung oder der Bejahung — in bedroh-
licher Weise darauf, ausgelöst zu werden" (KSA 5, 139, 27-29).
351, 22-27 Theologisch geredet — man höre zu, denn ich rede selten als Theo-
loge — war es Gott selber, der sich als Schlange am Ende seines Tagewerks unter
den Baum der Erkenntniss legte: er erholte sich so davon, Gott zu sein... Er hatte
Alles zu schön gemacht... Der Teufel ist bloss der Müssiggang Gottes an jedem
siebenten Tage...] Dass Gott am Ende zum Versucher, wenn nicht gar zum Teu-
fel wird — auch Mephisto stellt sich Faust bekanntlich mit den Worten vor, er
sei ,,[e]in Theil von jener Kraft, / Die stets das Böse will und stets das Gute
schafft" (Goethe: Faust I, V. 1335 f.) —, ist eine Vorstellung, der N. zwar nicht
direkt in der Sündenfallgeschichte von Genesis 3, dafür aber in der von ihm
rezipierten, religionsgeschichtlichen Literatur gelegentlich begegnen konnte,
vgl. z. B. Lippert 1882, 65: „Die Spätern haben in jener Schlange [sc. von Gene-
sis 3] den Teufel gesehen — die Bibel weiss nichts von solcher Deutung; aber
materiell besteht sie völlig zu Recht. Der Begriff des Teufels oder des Dämons
im christlichen Sinne, geht überall aus dem Kampfe eines Henotheismus her-
vor. Noch keinem ist es ganz gelungen, die concurrirenden Seelen in der Vor-
stellung der Menschengeschlechter um die Existenz zu bringen — sie bestehen
fort als ,Widersacher', Teufel und Dämonen." Dass sich N. in 351, 22-27 als der
Schöpfer von Also sprach Zarathustra in der Rolle Gottes sah, bedarf keiner
weiteren Erläuterung.
In AC 48, KSA 6, 226 f. deutete N. die Sündenfallgeschichte von Genesis 3
im Anschluss an Julius Wellhausens Prolegomena zur Geschichte Israels: „Eine
ähnliche Abschwächung des Mythischen hat [in Genesis 3] bei der Schlange
stattgefunden; man merkt nicht mehr recht, dass sie ein Dämon ist" (Wellhau-