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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0626
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Stellenkommentar EH WA, KSA 6, S. 361-362 603

vorgekommen, zu meiner tiefsten Beschämung, daß ich gutmüthig gewor-
den bin. Kann man noch tiefer sinken?... Denn bei mir gehört die Bosheit
zum Glück "— ich tauge nichts, wenn ich nicht boshaft bin —,' ich finde keine
kleine Rechtfertigung des Daseins darin, ungeheure Dummheiten gegen mich
zu provociren. rHuhuhuhuhu! —1 Man erräth, wer meine Opfer sind: die ,schö-
nen Seelen*, die ,Idealisten* rAh wenn ich erzählen wollte! -' Man erräth
zuletzt, wer in Sonderheit meine Opfer sein werden, die aufgeblasenen Gänse
"beiderlei Geschlechts', die sogenannten ,schönen Seelen', alle die Idealisten
mit Einem Wort, meine Greuel und Scheuel, vor denen ich nicht einen Gro-
schen Respekt habe, die -einzige -Art -Menseh jene -ganze -Art -Mensch^ -die -sieh
,Idealist* nennt,— diese einzige Art Mensch, die die Lüge als Existenzbedin-
gung nöthig hat "und die darauf auch noch eitel ist™... Ich bin unerbittlich mit
,schönen Seelen* ,Idealisten', sie sind meine Tanzbären, ich ,begeistere' sie in
einer halben Stunde für zwei Gegensätze, ich winke ihnen, in mir einen ,Heili-
gen', einen ,Märtyrer', ein Moral-Ungeheuer tugendhaftes Ungeheuer zu entde-
cken. — Eine andre Bosheit, eine -andre-Reehtfertigun^ ein andres
Glück meines Daseins: ich verstehe die Kunst, "zur rechten Zeit™ grobe Briefe
an sogenannte ^Freunde- zu schreiben, mit abführendem Erfolg: die voll-
kommne Falschheit dieser einer sogenannten Freundschaft — oder ,Ver-
wandtschaft' — [die Worte ,— oder ,Verwandtschaft' —‘ sind von fremder
Hand, sehr wahrscheinlich von N.s Schwester, zunächst ausradiert und dann
gestrichen worden] kommt "plötzlich™ an einer ganz unerwarteten Stelle plötz-
lieh heraus. Eben sitze ich wieder im Glück über einen solchen Streich "(alle
Jahre giebts drei — )™: eine sogenannte Freundin schrieb mir, daß sie ,trotzdem'
vor mir Achtung behalten werde, in Anbetracht der ^heroischen Art-, mit der
ich meine Leiden ertragen hätte... Also Nichts, Nichts, Nichts verstanden! Acht-
zehn Jahre lang Nichts von mir verstanden! "Meine ,Nächsten' sind immer
meine-Fer -nsten-gewesen!— Gehört es zu meinem Fluch, daß die ,Nächsten'
immer meine Fernsten sein müssen?...™ Und dies in einem Augenblick, "wo
eine unsägliche Verantwortlichkeit auf mir liegt,™ wo kein Wort zart genug,
kein Blick gütig verehrungsvoll genug gegen mich für mich sein kann... wo
meine Furcht nicht klein keine kleine "ist™, daß ich "denn ich habe™ das Schick-
sal der Menschheit in der Hand habe auf meinen Schultern... / Zum Min-
desten sitze ich oft böse genug da und sehe nur meine Hände "darauf hin™
anTTADie -Deutsehen -waren -bisher -derAehierTings -Beeher -meines -Lebens —ich
möehte -es -aueh -nieht -versehwören„daß -sie -mieh -einesAags -noeh -umbr^
(KSA 14, 503-505).
Auf derselben Seite finden sich fragmentarische Notizen, die im Zusam-
menhang mit EH Warum ich so gute Bücher schreibe 5 stehen: „Auch wird
man schwerlich ein an sich undurchsichtiges Problem, einen freiere leichtere
 
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