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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0645
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622 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

scheint, in der die „Furchtbarkeiten" offenbar zum Gesamtgleichgewicht bei-
tragen. Diese Vorstellung einer auch dank aller Schrecknisse wohlgeordneten
Welt ist wiederum jener metaphysischen Konzeption bedenklich nahe ver-
wandt, die in der Geistesgeschichte ausgerechnet mit dem Namen „Optimis-
mus" belegt wurde, nämlich Leibniz' bester aller möglichen Welten. Selbstre-
dend würde N. Leibniz' Ansinnen, in seinen Essais de Theodicee den
Schöpfergott angesichts der Übel zu rechtfertigen, abweisen; jedoch beharrt er
auf der (außermoralischen) Güte der Welt, wenn er die „grosse Ökonomie des
Ganzen" herausstreicht. Zum Ökonomiebegriff beim späten N. vgl. NK KSA 6,
167, 20 f.
368, 29 f. homines optimi] Lateinisch: „beste Menschen". Bei Cicero: De finibus
bonorum et malorum I 25 heißt es im Zusammenhang mit der herrschenden,
aber falschen Meinung, Epikur habe gelehrt, das sittlich Gute bewirke als sol-
ches die voluptas, die Lust: „homines optimi non intellegunt totam rationem
everti, si ita res se habeat" („Die besten Menschen verstehen nicht, dass die
ganze Überlegung verkehrt wird, falls die Sache sich so verhält"). „Homines
optimi" wird von Cicero also mit ironischem Unterton gebraucht, ebenso in
368, 29 f.
368, 32-369, 3 gute Menschen reden nie die Wahrheit. Falsche
Küsten und Sicherheiten lehrten euch die Guten; in Lügen der
Guten wart ihr geboren und geborgen. Alles ist in den Grund
hinein verlogen und verbogen durch die Guten.] Der erste Halbsatz
368, 32 f. ist ein Zitat aus Za III Von alten und neuen Tafeln 7, KSA 4, 251, 15 f.
(dort mit Majuskel beginnend, ebenfalls gesperrt); die folgenden beiden Sätze
sind ein Zitat aus Za III Von alten und neuen Tafeln 28, KSA 4, 267, 18-20
(ohne Sperrung).
369, 3-5 Die Welt ist zum Glück nicht auf Instinkte hin gebaut, dass gerade
bloss gutmüthiges Heerdengethier darin sein enges Glück fände] N.s Gebrauch
des Instinktbegriffs ist schillernd. Tendenziell versteht er im Spätwerk Deka-
denz als Folge von „Instinkt-Widersprüchlichkeit" (EH Warum ich ein Schicksal
bin 7, KSA 6, 372, 20 f.) oder von Instinktverlust, vgl. z. B. NK KSA 6, 172, 15-17
u. NK KSA 6, 67, 18.
369, 6 Heerdenthier] Vgl. NK KSA 6, 139, 15.
369, 7 „schöne Seele"] Vgl. NK KSA 6, 157, 2-4.
369, 7 f. wie Herr Herbert Spencer es wünscht, altruistisch werden solle] Vgl. NK
KSA 6, 133, 23-25 u. 139, 2-4. Den Bezug zwischen Spencer und dem
„Herdenthier" stellte N. mit seiner Randglosse „Heerdenhaft" zu folgendem
Passus aus Rolph 1884, 182 her: „Jede neue Generation überschreitet in gewis-
 
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