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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0652
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Stellenkommentar EH Schicksal, KSA 6, S. 371 629

sich N. auch zu Überlegungen über das Ressentiment inspirieren ließ (vgl. die
in NPB 202 mitgeteilten Notizen aus N.s Handexemplar). Bei Dühring 1881, 24
(vgl. ebd., 82) ist im Blick auf Schopenhauer auch von „Lebensverleumdung"
oder andernorts von „Verleumdung der Natur" (ebd., 137) die Rede. Eine N.s
Begriff von „Weltverleumdung" durchaus treffende Stelle lautet: „Das Publi-
cum hat vollkommen Recht, wenn es sich sagt, es sei für einen Denker oder
sogenannten Philosophen sehr leicht, sich über die Uebel theoretisch hinweg-
zusetzen, wenn er praktisch von keinem ernsthaften Ungemach berührt wird
oder gar in behäbiger Situation dahinlebt. Ja die Menschen sollten noch einen
Schritt weitergehen und im Hinblick auf die vorher angeführten Beispiele und
auf unsere ganze frühere Lehre erwägen, dass eine materiell behagliche Lage,
der die Nöthigung zu ernstlicher Arbeit abgeht, in Verbindung mit andern fal-
schen Antrieben nicht etwa blos zur ungehörigen Beschönigung, sondern auch
ebenso leicht zu einer Verleumdung der Welt verleiten kann. Wer dem Uebel
fernersteht, mag eher mit ihm blos spielen, als derjenige, welcher es in seiner
unmittelbaren Wirklichkeit herantreten sieht." (Ebd., 268).
371, 10 Es gab vor mir noch gar keine Psychologie.] Zu N.s Zeit war es Mode,
in der Psychologie einen völligen Neuanfang zu verkünden und jeweils mit
sich selbst beginnen zu lassen. So behauptet Roberty in seinem von N. intensiv
studierten Werk L'ancienne et la nouvelle philosophie, bis zu ihm habe sich die
Psychologie in einem „etat rudimentaire" befunden (Roberty 1887, 328).
371, 13 Der Ekel am Menschen ist meine Gefahr...] Sehr ähnlich EH Warum
ich so weise bin 8, KSA 6, 276, 12 f.: „Der Ekel am Menschen, am ,Gesindel!'
war immer meine grösste Gefahr..." Vgl. NK 276, 2-6.

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371, 15 Hat man mich verstanden?] Die Frage steht dreimal am Anfang der
letzten drei Abschnitte von EH (371, 15; 373, 12; 374, 31). Sie dient der Rechtferti-
gung einer immer grelleren Invektivik gegen die christlich kontaminierte
Moral, denn offensichtlich soll jetzt ausgeschlossen werden, dass man das Ich
in seiner antichristlich-immoralistischen Absicht missversteht. Der Satz ist
eigentlich ein Zitat aus GM III 1, KSA 5, 339, 28-30: „Hat man mich verstan-
den?... ,Schlechterdings nicht! mein Herr!' — Fangen wir also von
vorne an." Dort war das Nichtverstanden-Werden Anlass zu einem tiefen
Abtauchen in die Vergangenheit, während am Ende von EH nur noch das For-
tissimo der ideologischen Ein-Eindeutigkeit Aussicht auf Verstehen und Ver-
 
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