Stellenkommentar DD Raubvögeln, KSA 6, S. 390-392 677
nen und Bewusstsein, worauf N. hier abhebt (Genesis 3, 6 f.: „weil er klug
machte; und [sie] nahm von der Frucht, und aß, und gab ihrem Manne auch
davon, und er aß. Da wurden ihrer beiden Augen aufgethan". Die Bibel: Altes
Testament 1818, 3). Schon in UB II HL 9 spricht N. ironisch vom „modernen
Menschen, der reifsten Frucht am Baume der Erkenntniss" (KSA 1, 312, 27 f.).
Vgl. NK KSA 6, 226, 32-227, 4. Das Motiv vom Baum der Erkenntnis kehrt auch
in DD Von der Armuth des Reichsten, KSA 6, 407, 4 wieder.
391, 7-12 Ein Kranker nun, / der an Schlangengift krank ist; / ein Gefangner
nun, / der das härteste Loos zog: / im eignen Schachte / gebückt arbeitend]
KSA 14, 516 teilt folgende Vorstufe mit: „ein Gefangner, der das härteste Loos
zog: / gebückt arbeiten, / in dumpfen dunklen Schachten arbeiten: / ein
Gelehrter".
Wie aus 391, 3 f. hervorgeht, handelt es sich in 391, 8 um das Gift der
Erkenntnis. In N.s späten Schriften sind Krankheit und Krankheitsdiagnosen
zentrale Argumentationsmittel (vgl. z. B. NK KSA 6, 12, 16).
391, 16 f. steif, / ein Leichnam] In einer früheren Reinschrift wurde gestrichen:
„wie ein Leichnam / im Leben schon verzehrt / im Leben schon angewurmt"
(KSA 14, 516).
391, 18-20 von hundert Lasten überthürmt [...] ein Wissender!] In seinen
Frühschriften drückte N. ein Leiden an der Überfülle des angehäuften Wissens
aus, das insbesondere durch den Historismus und die „historische Bildung" in
der Wissenschaftskultur des 19. Jahrhunderts zum Problem wurde. Dies ist das
Hauptthema der Zweiten Unzeitgemässen Betrachtung: Vom Nutzen und Nach-
theil der Historie für das Leben. Im Za-Kapitel Vom Lande der Bildung nannte N.
die Menschen seiner Zeit „vollgeschrieben mit den Zeichen der Vergangenheit"
(KSA 4, 153, 22), und weiter heißt es: „Alle Zeiten und Völker blicken bunt aus
euren Schleiern; alle Sitten und Glauben reden bunt aus euren Gebärden" (154,
l f.).
391, 26-30 Lauernd, / kauernd, / Einer, der schon nicht mehr aufrecht steht! /
Du verwächst mir noch mit deinem Grabe, / verwachsener Geist!...] KSA 14,
516 teilt dazu die Vorstufe mit: „er kauert, er lauert: / er kann schon nicht
mehr aufrecht stehn. / er verwuchs mit seinem Grabe, / ein dieser verwachsene
Geist: / wie könnte er jemals auferstehen?". Die neutestamentliche Meta-
phorik von der Auferstehung wird in der letzten Fassung durch diejenige vom
aufrechten Stehen als Zeichen unbeschädigten Menschseins ersetzt.
392, 1-6 Und jüngst noch so stolz, / auf allen Stelzen deines Stolzes! / Jüngst
noch der Einsiedler ohne Gott, / der Zweisiedler mit dem Teufel, / der schar-
lachne Prinz jedes Übermuths!... // Jetzt —] Wiederaufnahme der strukturbilden-
nen und Bewusstsein, worauf N. hier abhebt (Genesis 3, 6 f.: „weil er klug
machte; und [sie] nahm von der Frucht, und aß, und gab ihrem Manne auch
davon, und er aß. Da wurden ihrer beiden Augen aufgethan". Die Bibel: Altes
Testament 1818, 3). Schon in UB II HL 9 spricht N. ironisch vom „modernen
Menschen, der reifsten Frucht am Baume der Erkenntniss" (KSA 1, 312, 27 f.).
Vgl. NK KSA 6, 226, 32-227, 4. Das Motiv vom Baum der Erkenntnis kehrt auch
in DD Von der Armuth des Reichsten, KSA 6, 407, 4 wieder.
391, 7-12 Ein Kranker nun, / der an Schlangengift krank ist; / ein Gefangner
nun, / der das härteste Loos zog: / im eignen Schachte / gebückt arbeitend]
KSA 14, 516 teilt folgende Vorstufe mit: „ein Gefangner, der das härteste Loos
zog: / gebückt arbeiten, / in dumpfen dunklen Schachten arbeiten: / ein
Gelehrter".
Wie aus 391, 3 f. hervorgeht, handelt es sich in 391, 8 um das Gift der
Erkenntnis. In N.s späten Schriften sind Krankheit und Krankheitsdiagnosen
zentrale Argumentationsmittel (vgl. z. B. NK KSA 6, 12, 16).
391, 16 f. steif, / ein Leichnam] In einer früheren Reinschrift wurde gestrichen:
„wie ein Leichnam / im Leben schon verzehrt / im Leben schon angewurmt"
(KSA 14, 516).
391, 18-20 von hundert Lasten überthürmt [...] ein Wissender!] In seinen
Frühschriften drückte N. ein Leiden an der Überfülle des angehäuften Wissens
aus, das insbesondere durch den Historismus und die „historische Bildung" in
der Wissenschaftskultur des 19. Jahrhunderts zum Problem wurde. Dies ist das
Hauptthema der Zweiten Unzeitgemässen Betrachtung: Vom Nutzen und Nach-
theil der Historie für das Leben. Im Za-Kapitel Vom Lande der Bildung nannte N.
die Menschen seiner Zeit „vollgeschrieben mit den Zeichen der Vergangenheit"
(KSA 4, 153, 22), und weiter heißt es: „Alle Zeiten und Völker blicken bunt aus
euren Schleiern; alle Sitten und Glauben reden bunt aus euren Gebärden" (154,
l f.).
391, 26-30 Lauernd, / kauernd, / Einer, der schon nicht mehr aufrecht steht! /
Du verwächst mir noch mit deinem Grabe, / verwachsener Geist!...] KSA 14,
516 teilt dazu die Vorstufe mit: „er kauert, er lauert: / er kann schon nicht
mehr aufrecht stehn. / er verwuchs mit seinem Grabe, / ein dieser verwachsene
Geist: / wie könnte er jemals auferstehen?". Die neutestamentliche Meta-
phorik von der Auferstehung wird in der letzten Fassung durch diejenige vom
aufrechten Stehen als Zeichen unbeschädigten Menschseins ersetzt.
392, 1-6 Und jüngst noch so stolz, / auf allen Stelzen deines Stolzes! / Jüngst
noch der Einsiedler ohne Gott, / der Zweisiedler mit dem Teufel, / der schar-
lachne Prinz jedes Übermuths!... // Jetzt —] Wiederaufnahme der strukturbilden-