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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0719
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696 Dionysos-Dithyramben

liebe, daß, obgleich er über den Koran so kühn und frei redete, daß es das
Mißfallen aller Derwische erregte, es dennoch niemals einen armen verstoße-
nen, ungewöhnlichen oder irren Menschen, irgend einen Thoren, der seinen
Bart abgeschnitten hatte, oder /384/ der unter dem Druck eines Gelübdes
seufzte, oder der eine fixe Idee mit sich herumtrug, gab, der nicht sogleich
sich zu ihm geflüchtet hätte, — das große Herz lag so sonnig und einladend
im Mittelpunkt der Landschaft da, — daß es schien, als ob der Instinct jeden
Leidenden zu demselben hintrieb. Und er hatte keinen Theil an dem Wahn-
sinn, der bei ihm einen Zufluchtsort fand. Ist dies nicht reich sein? — dies nicht
allein das wahre reich sein?" (Emerson 1858, 383 f. Von N. Unterstrichenes hier
kursiviert; von seiner Hand mehrere Randanstreichungen; der letzte Satz mit
dreifacher Randanstreichung).
406, 2-9 Zehn Jahre dahin —, / kein Tropfen erreichte mich, / kein feuchter
Wind, kein Thau der Liebe / — ein regenloses Land [...] ströme selber über,
träufle selber Thau / sei selber Regen der vergilbten Wildniss!] Wie in Za bedient
sich N. hier einer biblischen Metaphorik, die auch in ein bekanntes Kirchenlied
eingegangen ist („Tauet Himmel den Gerechten, Wolken regnet ihn herab"). In
der Bibel ist der Wunsch nach dem von der Dürre erlösenden Regen eine Meta-
pher für die ersehnte Ankunft des Erlösers. Vgl. ausführlich NK 377, 3-10.
Zu 406, 2-9 teilt KSA 14, 517 folgende Vorstufe mit: „Dies dauert schon
zehn Jahre: / kein Tropfen mehr erreicht mich, / kein feuchter Hauch Wind,
kein Hauch der Liebe / — ein Land ohne Regen! / leh-bit-te-meine Seele Nun
bitte ich meine Weisheit, / nicht dürr zu werden in dieser Dürre: / ströme über,
befeuchte selbst das Land sei Quell in dir selber / sei selber Regen in gelber
Wüste Wildniß".
406, 12-18 einst sprach ich „mehr Licht, ihr Dunklen!" / Heut locke ich sie,
dass sie kommen: / macht dunkel um mich mit euren Eutern! / — ich will euch
melken, / ihr Kühe der Höhe! / Milchwarme Weisheit, süssen Thau der Liebe, /
ströme ich über das Land.] Die in KSA 14, 517 mitgeteilte Vorstufe hat stattdes-
sen: „damals sprach ich: ,werdet Licht!' / Nun locke ich sie, daß sie kommen: /
kommt, ihr Wolken! werdet Nacht, / macht Dunkel um mich / mit eurem Flü-
gel / birg mich, du schönes Nachtgeflügel!"
406, 12 „mehr Licht, ihr Dunklen!"] „Es wird behauptet, dass die letzten Worte,
die Goethe am 22. März 1832 vor seinem Tode sprach: / Mehr Licht! I gewesen
seien; er soll jedoch gesagt haben: ,Macht doch den zweiten Fensterladen auch
auf, damit mehr Licht hereinkomme.'" (Büchmann 1882, 99 f.).
407, 4 eine reife Wahrheit breche ich allein vom Baum.] Vgl. Genesis 2, 16 f.
und 3, 1-24; dazu NK 391, 3f.
 
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