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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0726
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I Überblickskommentar

1 Entstehungsgeschichte und Textgeschichte
Im September 1888 erschien Der Fall Wagner und erregte bald einige Aufmerk-
samkeit, nicht nur in N.s Bekannten- und Freundeskreis. Etwa Malwida von
Meysenbug äußerte sich N. gegenüber Mitte Oktober ablehnend (KGB III 6,
Nr. 591, S. 330), was dieser wiederum am 18. und 20. 10. 1888 mit zwei sehr
groben Briefen quittierte (KSB 8, Nr. 1131, S. 452 u. Nr. 1135, S. 457-459). Im
Musikalischen Wochenblatt, das bei N.s und Wagners Verleger Ernst Wilhelm
Fritzsch gedruckt wurde, erschien eine hämische, quasi die offizielle wagneria-
nische Position vertretende Besprechung von Richard Pohl unter dem Titel Der
Fall Nietzsche (KGB III 7/3, 2, S. 1026-1033), die wiederum zu N.s Bruch mit
Fritzsch und zum Versuch führte, ihm die noch in seinem Verlag befindlichen
N.-Schriften abzukaufen (vgl. N. an Fritzsch, 18. 11. 1888 u. 20. 11. 1888, KSB 8,
Nr. 1147, S. 477 u. Nr. 1152, S. 483 f.). Wesentlich wohlwollender ließ sich Carl
Spitteler im Berner Bund vernehmen sowie überschwenglich enthusiastisch
Heinrich Köselitz alias Peter Gast im Kunstwart. Dessen Herausgeber Ferdinand
Avenarius relativierte freilich in einer redaktionellen Anmerkung Köselitz'
Enthusiasmus und merkte an, N. zeige gegenüber Wagner einen plötzlichen
Sinneswandel, nachdem er ihn früher doch so enthusiastisch gefeiert habe.
Auch Spitteler meinte, eine solche plötzliche Wendung feststellen zu können.
Die Anmerkung von Avenarius veranlasste N., ihm sogleich zu schreiben: „Ver-
geben Sie mir, in aller Heiterkeit, eine Nachschrift: es scheint, es geht beim
Fall Wagner nicht ohne Nachschrift ab. — Warum haben Sie eigentlich Ihren
Lesern die Hauptsache vorenthalten? Daß meine ,Sinnesänderung', wie Sie
es nennen, nicht von gestern ist? Ich führe nunmehr seit 10 Jahren Krieg gegen
die Verderbnis von Bayreuth, — Wagner hielt mich seit 1876 für seinen
eigentlichen und einzigen Gegner, die Spuren davon sind überreich in seinen
späteren Schriften. Der Gegensatz eines decadent und einer aus der Überfülle
der Kraft herausschaffenden, das heißt dionysischen Natur, der das
Schwerste Spiel ist, ist ja zwischen uns handgreiflich ([...]). Wir sind verschie-
den wie arm und reich. Unter Musikern ist ja über die Armut Wagners kein
Zweifel; vor mir, vor dem auch die Verstocktesten ehrlich werden, sind auch
die extremen Parteigänger seiner Sache über diesen Punkt ehrlich geworden."
(N. an Avenarius, 10. 12. 1888, KSB 8, Nr. 1184, S. 517 f., Z. 2-18. Diesen Brief
sowie den am selben Tag abgefassten, vorangehenden, KSB 8, Nr. 1183,
S. 516 f., wünschte N. als Replik im Kunstwart abgedruckt zu sehen, was denn
auch in der Ausgabe vom 16. Dezember geschah, vgl. Schaberg 2002, 223 f. u.
 
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