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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0760
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Stellenkommentar NW Gefahr, KSA 6, S. 422-423 737

Musikdrama eine metaphorische Verbindung von Mozarts „steinernem Gast",
der Bühnendarstellung und der Reliefkunst hergestellt: „Andernseits ist Diony-
sos während jener leidenschaftlichen Chorgesänge gewissermaßen das lebende
Bild, die lebende Statue des Gottes: und in der That hat der antike Schauspieler
etwas vom steinernen Gast bei Mozart. Ein neuerer Musikschriftsteller macht
hierüber folgende richtige Bemerkung. ,In unserem kostümirten Schauspieler,
sagt er, tritt uns ein natürlicher Mensch, den Griechen trat in der tragischen
Maske ein künstlicher, wenn man will, heroisch stylisirter entgegen. Unsere
tiefen Bühnen, auf denen oft an hundert Personen gruppiert sind, machen die
Darstellungen zu farbigen Gemälden, so lebendig sie nur sein können. Die
schmale antike Bühne, mit der nahe vorgerückten Hinterwand, machte die
wenigen, sich gemessen bewegenden Figuren zu lebenden Basreliefs oder
belebten Marmorbildern eines Tempelgiebels. Hätte ein Wunder jenen Marmor-
gestalten des Streites zwischen Athene und Poseidon im Parthenongiebel
Leben eingehaucht, sie würden wohl die Sprache des Sophokles gesprochen
haben.'" (KSA 1, 527, 22-528, 4).
Der fragliche „neuere[.] Musikschriftsteller" ist August Wilhelm Ambros, in
dessen Geschichte der Musik sich der folgende Passus findet (von N. 1870 aus
der Basler Universitätsbibliothek entliehen, vgl. Crescenzi 1994, 401): „In unse-
rem costümirten Schauspieler tritt uns ein natürlicher Mensch, den Griechen
trat in der tragischen Maske ein künstlicher, wenn man will heroisch stylisirter
entgegen. Unsere tiefen Bühnen, auf denen oft an hundert Personen gruppirt
sind, machen die Darstellungen zu farbigen Gemälden, so lebendig sie nur
sein können. Die schmale antike Bühne mit der nahe vorgerückten Hinter-
wand, machte die wenigen sich gemessen bewegenden Figuren zu lebenden
Basreliefs oder belebten Marmorbildern eines Tempelgiebels. Hätte ein Wunder
jenen Marmorgestalten des Streites zwischen Athene und Poseidon im Parthe-
nongiebel Leben eingehaucht, sie würden wohl die Sprache des Sophokles
gesprochen haben. Dem Schauspieler, der auf seinen Kothurnen sich nur
gemessen bewegen konnte, ziemte nicht die Beweglichkeit des alltäglichen
Sprechens, zumal er im weiten Halbrund überall deutlich gehört werden sollte,
seine Sprache musste feierlich und gemessen sein, wie seine ganze Erschei-
nung. Der heroisch stylisirten Gestalt ziemte ein heroisch stylisirter Sprachton,
das ist ein musikalisch gehobener und zugleich musikalisch
gebundener Vortrag. Das Drama war den Griechen Gottesdienst, beim
Gottesdienste war er aber Gesang so sehr gewohnt, dass es ihm vielmehr
unschicklich aufgefallen wäre, hier sprechen zu hören, wie man zu Hause und
auf dem Markte spricht. Dass in der griechischen Tragödie der gesangmässige
Vortrag mit zum Wesen und zur Eigenthümlichkeit des Kunstwerkes gehörte,
ist zweifellos sicherge[ste]llt." (Ambros 1862, 1, 288) Statt von hautrelief ist bei
 
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