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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0764
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Stellenkommentar NW Musik, KSA 6, S. 423 741

Niederrheinischen Musikzeitung. Der Begriff ,Musik der Zukunft' war schon
1847 verbreitet, als vor allem Chopin, Liszt und Berlioz als Zukunftsmusiker
galten. Das Wort ,Zukunftsmusik' kommt dann nachweislich zum erstenmal in
einem Brief von Louis Spohr vom 26. November 1854 vor [...]. Der alte Bischoff
mußte nur als Prügelknabe herhalten. Niemand anderes hat dann mehr zur
Verbreitung des Begriffs beigetragen als Richard Wagner selbst durch seine
Erwiderung ,Zukunftsmusik'".
Gregor-Dellins Behauptung, dass Spohr den Begriff erstmals nachweislich
verwendet habe, trifft jedoch ebenfalls nicht zu; er findet sich beispielsweise
schon in Friedrich Wiecks Schrift Clavier und Gesang von 1853, dort bereits als
eingeführter Terminus: „Wir können nur noch in der Erinnerung leben und
unser einziger Trost ist, dass unsre jungen Fortschrittscomponisten und Musik-
philosophen so gütig sind, dem Alter diese Schwäche [sc. das ,Schöne' hören
zu wollen] — diesen von ihnen längst überwundenen Standpunkt — nachzuse-
hen und mit Schonung zu beurtheilen. Dazu gehört allerdings Resignation, die
wir dankbar anerkennen müssen, denn dieser kleinlichen Sphäre, worin sich
schöner Gesang in ,unendlicher Abstufung' bewegt und dem Componisten ein
,unübersehbares' Feld zum Schaffen bietet, sind sie schon hinlänglich ent-
rückt, weil sie nur ,Grosses' in sich bewegen und auf dem jugendlich frischen
Standpunkt der gegenwärtigen Zukunftsmusik stehen." (Wieck 1853, 80, vgl.
ebd., 36 sowie für weitere Belege [Lobe] 1852, 2, 69 und Raff 1854, 5).
N. kann immerhin beanspruchen, die Abwandlung der Wendung „Musik
der Zukunft" in „Musik ohne Zukunft" selbst vollbracht zu haben.
423, 15-19 Die Musik kommt von allen Künsten, die auf dem Boden einer
bestimmten Cultur aufzuwachsen wissen, als die letzte aller Pflanzen zum Vor-
schein, vielleicht weil sie die innerlichste ist und, folglich, am spätesten
anlangt, — im Herbst und Abblühen der jedes Mal zu ihr gehörenden Cultur.] MA
II VM 171, KSA 2, 450, 2-11: „Die Musik kommt von allen Künsten, welche auf
einem bestimmten Culturboden, unter bestimmten socialen und politischen
Verhältnissen jedesmal aufzuwachsen pflegen, als die letzte aller Pflanzen
zum Vorschein, im Herbst und Abblühen der zu ihr gehörenden Cultur: wäh-
rend gewöhnlich die ersten Boten und Anzeichen eines neuen Frühlings schon
bemerkbar sind; ja mitunter läutet die Musik wie die Sprache eines versunke-
nen Zeitalters in eine erstaunte und neue Welt hinein und kommt zu spät." In
der Neufassung entfällt der Seitenblick auf die politisch-sozialen Bedingungen
der Künste, um stattdessen die Musik als „Innerlichste" der Künste auszuzeich-
nen. Die Vorstellung, dass Musik eine Spätform des kulturellen Lebens dar-
stelle, war zu N.s Zeit durchaus verbreitet. So schrieb beispielsweise ein damals
führender Musikhistoriker, Emil Naumann: „Die Musik ist unter den Künsten
entschieden die jüngste Kunst." (Naumann 1871, 6, vgl. Naumann 1869, 52)
 
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