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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0779
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756 Nietzsche contra Wagner. Aktenstücke eines Psychologen

senswerth. Sie, Miton, /191/ übertünchen es, aber ertödten es darum nicht: so
sind Sie also immer hassenswerth. / Ganz und gar nicht, denn indem man
aller Welt zu Gefallen handelt, wie wir thun, hat man keinen Grund mehr, uns
zu hassen. Dieses ist wahr, wenn man in dem Ich nur das Unangenehme, was
uns daraus entspringt, haßt. / Aber wenn ich es hasse, weil es ungerecht ist,
sich zum Mittelpunkt des Ganzen macht, so muß ich es immer hassen." (Pascal
1865, 1, 190 f.; keine Lesespuren N.s) Den Satz Pascals, freilich mit einer cha-
rakteristischen, in NW wiederkehrenden Hinzufügung, zitiert N. in WA Epilog,
KSA 6, 52, 5: „Le moi est toujours haissable." N. kann Pascals Wendung
übrigens auch in dem von ihm gelesenen Band Frankreich und die Franzosen
von Karl Hillebrand begegnet sein, wo es gegen Georg Gottfried Gervinus heißt:
„,Le moi est haissable', sagt der große Jesuitenfeind; es ist aber ganz besonders
so, wenn es so anmuthlos und ungefällig ist, wie das Ich, welches Gervinus,
wenn nicht besaß, so doch herauszukehren liebte." (Hillebrand 1874, 276, keine
Lesespur N.s).
Die in NW Wir Antipoden gebrauchte Wendung „Flaubert est toujours
haissable", die mit den Anführungszeichen den Anschein eines Zitats
erweckt, ist faktisch eine Pointierung der Bourget-Stelle (vgl. N. an Meysenbug,
05. 11. 1888, KSB 8, Nr. 1138, S. 463, Z. 3: „,Nietzsche est toujours hais-
sable'"), während der darauffolgende Satz sehr wohl ein echtes Flaubert-Zitat
ist, nämlich aus Flauberts Brief an George Sand vom Dezember 1875: „J'eclate
de coleres et d'indignations rentrees. Mais dans l'ideal que j'ai de l'art, je crois
qu'on ne doit rien montrer des siennes, et que l'artiste ne doit pas plus apparai-
tre dans son oeuvre que Dieu dans la nature. L'homme n'est rien, l'oeuvre tout!
Cette discipline, qui peut partir d'un point de vue faux, n'est pas facile ä obser-
ver. Et pour moi, du moins, c'est une sorte de sacrifice permanent que je fais
au bon goüt. II me serait bien agreable de dire ce que je pense et de soulager
le sieur Gustave Flaubert par des phrases, mais quelle est l'importance dudit
sieur?" (Flaubert 1884, 273; das Kursivierte von N. unterstrichen, mehrere Stri-
che am Rand. „Ich berste vor Zornesausbrüchen und wiedergekehrten Indigna-
tionen. Aber im Ideal, das ich von der Kunst habe, glaube ich, dass man nichts
davon zeigen darf, und dass der Künstler nicht mehr in seinem Werk erscheinen
darf als Gott in der Natur. Der Mensch ist nichts, das Werk ist alles! Diese Diszi-
plin, die von einem falschen Gesichtspunkt ausgehen kann, ist nicht einfach
einzuhalten. Und für mich wenigstens ist es eine Art von permanentem Opfer,
das ich dem guten Geschmack bringe. Es wäre mir sehr angenehm, das zu
sagen, was ich denke und den Herrn Gustave Flaubert durch Floskeln zu ent-
lasten, aber was kommt es auf den genannten Herrn an?") Zu Pascal als selbst-
quälerischem Pessimisten vgl. NK KSA 6, 94, 28-30 und NK KSA 6, 171, 30-34.
427, 1 Wille zum Ende] Vgl. NK KSA 6, 12, 3.
 
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