Stellenkommentar NW Epilog, KSA 6, S. 436 783
umbringt! — Ich verdanke ihr auch meine Philosophie...] Es irritiert
der Wechsel des Bezugs: Wenn das Ich „ihm" seine „höhere Gesundheit"
verdankt, dann ist damit offenkundig das „Siechthum" gemeint. Das „ihr" im
letzten Satz müsste sich hingegen auf die „höhere Gesundheit" beziehen.
Die Sentenz, „höhere Gesundheit" werde „stärker" „von Allem, was sie nicht
umbringt", ist eine Abwandlung von GD Sprüche und Pfeile 8, KSA 6, 60, 8 f.
436, 18 Amor fati] Vgl. NK KSA 6, 297, 24 f.
436, 25 Verdachts] FW Vorrede 3, KSA 3, 350, 6: „Verdachtes".
436, 26 der aus jedem U ein X macht] „Die Redensart: ein X für ein U machen
heißt ursprünglich s[o] v[iel] w[ie] das Doppelte anrechnen (nämlich statt einer
V eine X, die aus zwei V gebildet ist, setzen), dann überhaupt s[o] v[iel] w[ie]
etwas weismachen" (Meyer 1885-1892, 16, 795).
436, 26 f. ein echtes rechtes X, das heisst den vorletzten Buchstaben vor
dem letzten...] In der philosophischen Tradition steht das X für etwas, von
dessen Beschaffenheit wir nichts wissen; es ist dessen symbolischer Platzhal-
ter, „ein Etwas = x, wovon wir gar nichts wissen, noch überhaupt (nach der
jetzigen Einrichtung unseres Verstandes) wissen können" (Immanuel Kant: Kri-
ttle der reinen Vernunft A 250). Am Ende von FW Vorrede 3, KSA 3, 350, 31-351,
3 — einem Passus, den N. bei der Überarbeitung für NW weglässt, schwärmte
er geradezu vom „Reiz alles Problematischen" und von der „Freude am X" (vgl.
NK 437, 19). In einer Vorarbeit zu GD Wie die „wahre Welt" endlich zur Fabel
wurde in NL 1888, KSA 13, 14[168], 352 (KGW IX 8, W II 5, 38, 54-57-39, 27-
37), sprach N. von einer „x-Welt", um damit den Rekurs auf eine wahre Welt
abzuschneiden (vgl. dazu eingehend Stegmaier 1999, 244-247).
Die Vorlage für N.s Neuentdeckung des X in FW Vorrede 3 ist jedoch nicht
etwa eine Kant-Lektüre, sondern eher vielleicht Harald Höffdings Psychologie
in Umrissen, wo es heißt: „Es muss etwas geben, was das Bewusstsein zur
Erzeugung dieses bestimmten Weltbildes bestimmt oder motiviert. Das Weltbild
findet seine /276/ Begründung und Erklärung erst, wenn wir ein X äusser dem
Subjekt annehmen, durch dessen Einfluss auf das Subjekt die Erkenntnisthä-
tigkeit desselben erregt und bedingt wird. Was dieses X ist, das kann keine
Erfahrung sagen; jede Antwort auf diese Frage ist eine metaphysische Hypo-
these *). — Dass unsre Erkenntnis auf diese Weise etwas voraussetzt, das sie
nie ihrer Behandlung unterwerfen kann, hängt damit eng zusammen, dass sie
stets etwas als gegeben haben muss, — dass sie auf jedem Punkte nicht nur
aktiv, sondern auch passiv ist, obwohl anderseits eine absolute Passivität nur
als ein Grenzfall dasteht, der sich in der Erfahrung nicht nachweisen lässt"
(Höffding 1887, 275 f. Von „Es" bis „seine" von N. mit Randstrich und Fragezei-
umbringt! — Ich verdanke ihr auch meine Philosophie...] Es irritiert
der Wechsel des Bezugs: Wenn das Ich „ihm" seine „höhere Gesundheit"
verdankt, dann ist damit offenkundig das „Siechthum" gemeint. Das „ihr" im
letzten Satz müsste sich hingegen auf die „höhere Gesundheit" beziehen.
Die Sentenz, „höhere Gesundheit" werde „stärker" „von Allem, was sie nicht
umbringt", ist eine Abwandlung von GD Sprüche und Pfeile 8, KSA 6, 60, 8 f.
436, 18 Amor fati] Vgl. NK KSA 6, 297, 24 f.
436, 25 Verdachts] FW Vorrede 3, KSA 3, 350, 6: „Verdachtes".
436, 26 der aus jedem U ein X macht] „Die Redensart: ein X für ein U machen
heißt ursprünglich s[o] v[iel] w[ie] das Doppelte anrechnen (nämlich statt einer
V eine X, die aus zwei V gebildet ist, setzen), dann überhaupt s[o] v[iel] w[ie]
etwas weismachen" (Meyer 1885-1892, 16, 795).
436, 26 f. ein echtes rechtes X, das heisst den vorletzten Buchstaben vor
dem letzten...] In der philosophischen Tradition steht das X für etwas, von
dessen Beschaffenheit wir nichts wissen; es ist dessen symbolischer Platzhal-
ter, „ein Etwas = x, wovon wir gar nichts wissen, noch überhaupt (nach der
jetzigen Einrichtung unseres Verstandes) wissen können" (Immanuel Kant: Kri-
ttle der reinen Vernunft A 250). Am Ende von FW Vorrede 3, KSA 3, 350, 31-351,
3 — einem Passus, den N. bei der Überarbeitung für NW weglässt, schwärmte
er geradezu vom „Reiz alles Problematischen" und von der „Freude am X" (vgl.
NK 437, 19). In einer Vorarbeit zu GD Wie die „wahre Welt" endlich zur Fabel
wurde in NL 1888, KSA 13, 14[168], 352 (KGW IX 8, W II 5, 38, 54-57-39, 27-
37), sprach N. von einer „x-Welt", um damit den Rekurs auf eine wahre Welt
abzuschneiden (vgl. dazu eingehend Stegmaier 1999, 244-247).
Die Vorlage für N.s Neuentdeckung des X in FW Vorrede 3 ist jedoch nicht
etwa eine Kant-Lektüre, sondern eher vielleicht Harald Höffdings Psychologie
in Umrissen, wo es heißt: „Es muss etwas geben, was das Bewusstsein zur
Erzeugung dieses bestimmten Weltbildes bestimmt oder motiviert. Das Weltbild
findet seine /276/ Begründung und Erklärung erst, wenn wir ein X äusser dem
Subjekt annehmen, durch dessen Einfluss auf das Subjekt die Erkenntnisthä-
tigkeit desselben erregt und bedingt wird. Was dieses X ist, das kann keine
Erfahrung sagen; jede Antwort auf diese Frage ist eine metaphysische Hypo-
these *). — Dass unsre Erkenntnis auf diese Weise etwas voraussetzt, das sie
nie ihrer Behandlung unterwerfen kann, hängt damit eng zusammen, dass sie
stets etwas als gegeben haben muss, — dass sie auf jedem Punkte nicht nur
aktiv, sondern auch passiv ist, obwohl anderseits eine absolute Passivität nur
als ein Grenzfall dasteht, der sich in der Erfahrung nicht nachweisen lässt"
(Höffding 1887, 275 f. Von „Es" bis „seine" von N. mit Randstrich und Fragezei-