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Alföldy, Géza; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Pöschl, Viktor [Gefeierte Pers.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1990, 2. Abhandlung): Der Obelisk auf dem Petersplatz in Rom: ein historisches Monument der Antike ; vorgetragen am 9. Dezember 1989 ; Viktor Pöschl zum 80. Geburtstag gewidmet — Heidelberg: Winter, 1990

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https://doi.org/10.11588/diglit.48160#0059
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Der Obelisk auf dem Petersplatz in Rom

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gebracht und auf der Spina des Vatikanischen Zirkus aufgerichtet
wurde. Buchner nahm an, daß der Vatikan-Obelisk diese Bekrönung
unter Caligula erhielt: Sie sei nichts anderes als eine Nachahmung der
Spitze des Montecitorio-Obelisken gewesen, habe jedoch, da sie eben
nicht als Gnomon einer Sonnenuhr, sondern als Markierung der Spina
des Vatikanischen Zirkus diente, „keinerlei Funktion gehabt“.111 Dage-
gen ist aber einzuwenden, daß das Vorbild für die Aufstellung eines
Obelisken auf der Spina im Vatikanischen Zirkus nicht der Montecito-
rio-Obelisk war, sondern derjenige, der heute die Piazza del Popolo
schmückt (vgl. Taf. X 1): Dieses Denkmal stand seit Augustus auf der
Spina eines Zirkus, nämlich des Circus Maximus. Aber: Dieses Monu-
ment trug eben keine Kugel mit einem Dorn. Auch die beiden weiteren
Obelisken, die allem Anschein nach ebenfalls Augustus nach Rom brin-
gen ließ, nämlich diejenigen vor seinem Mausoleum (Taf. IX und XVI),
wiesen keine derartige Bekrönung auf. Und obwohl die Obelisken
Roms in der Kaiserzeit offenbar nach dem Vorbild der eindrucksvollen
Monumente im Solarium und im Vatikanischen Zirkus auf Bildern
gerne mit einer Kugel als Bekrönung dargestellt wurden,112 ist in keinem
einzigen Fall nachzuweisen, daß ein Obelisk im antiken Rom oder an-
derswo in der antiken Welt nur aus dekorativen Gründen eine Kugel
bzw. eine mit Dorn gekrönte Kugel als Spitze erhalten hätte. Die Idee,
Obelisken nur wegen der dekorativen Wirkung mit Kugeln zu schmük-
ken, breitete sich offenbar erst seit der Renaissance aus.113 Die einzigen
Obelisken, die bereits in der Kaiserzeit ähnlich wie diejenigen auf dem
Marsfeld und im Vatikan eine Kugel mit Dorn als Spitze getragen haben
dürften, sind das Monument in der Villa Celimontana und der Obelisk,
der 1787 aus Rom nach Florenz gebracht wurde. Beide gelangten wohl
erst unter Domitian nach Rom und wurden zusammen mit weiteren
Obelisken im Iseum auf dem Marsfeld aufgestellt; ihre uns unbekannte
ursprüngliche Funktion in Ägypten kann durchaus diejenige einer Son-
nenuhr gewesen sein.114
111 E. Buchner, Röm. Mitt. 83, 1976, 327 = Sonnenuhr 15.
112 Vgl. L. Vogel, The Art Bulletin 51, 1969, 155ff. mit Fig. 2. 3. 6. 7; J.H. Humphrey,
Roman Circuses 271.
113 Vgl. hierzu die Entwürfe von F. Colonna (1499) und F. Borromini (1647) für die Auf-
stellung der Obelisken der Piazza di Minerva und der Piazza Navona, C. D’Onofrio,
Obelischi di Roma2 Fig. 131 und 119. Vgl. noch E. Nash, Röm. Mitt. 64, 1957, 234.
114 Obelisk in der Villa Celimontana (zuvor auf dem Kapitol): C. D’Onofrio, Obelischi di
Roma2 204ff. Obelisk in Florenz (vorher in Rom in der Villa Medici): E. Nash, Röm.
Mitt. 64, 1957, 239 mit Taf. 58,1-2 und 59,1; A. Roullet, Egyptian and Egyptianizing
 
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