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Alföldy, Géza; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Pöschl, Viktor [Gefeierte Pers.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1990, 2. Abhandlung): Der Obelisk auf dem Petersplatz in Rom: ein historisches Monument der Antike ; vorgetragen am 9. Dezember 1989 ; Viktor Pöschl zum 80. Geburtstag gewidmet — Heidelberg: Winter, 1990

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https://doi.org/10.11588/diglit.48160#0060
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Geza Alföldy

Aus diesen Gründen liegt folgender Schluß nahe: Die Kugel mit dem
Dorn schmückte den Vatikan-Obelisken nicht erst seit Caligula, son-
dern bereits in seiner ursprünglichen Funktion in Ägypten, und wurde
bei seinem Abtransport nach Rom nicht entfernt, sondern auch in seiner
neuen Verwendung auf der Spina des Vatikanischen Zirkus beibehal-
ten 115 - und die Kugel mit dem Dorn besaß einst die gleiche Funktion wie
die Bekrönung des Montecitorio-Obelisken. Der Vatikan-Obelisk
dürfte also ursprünglich, d. h. in Alexandria, ebenso Gnomon einer Son-
nenuhr gewesen sein wie der Obelisk auf dem Marsfeld im augustei-
schen Rom.
Für diese Hypothese könnten auch weitere Gesichtspunkte sprechen.
Ein Forum, das der Versammlung der Bürger und dem Handel diente,
scheint zunächst kaum ein geeigneter Platz für eine monumentale Son-
nenuhr gewesen zu sein, da wir für das Liniennetz einer solchen Anlage
mit einem riesigen freien Feld rechnen müßten. Das Liniennetz für die
Sonnenuhr des Augustus in Rom wies nach Buchners Berechnungen
eine Länge von rund 170 und eine Breite von ungefähr 110 m auf; auf den
Meridian von Heliopolis übertragen wäre für das gleiche Liniennetz mit
der entsprechenden Verkürzung durch die stärkere senkrechte Sonnen-
stellung noch immer ein Feld von ungefähr 130 x 72 m erforderlich ge-
wesen.116 Da der Vatikan-Obelisk mit seiner ursprünglichen Höhe von
35,5m (mit Sockel und Bekrönung) den 33,97m hohen Montecitorio-
Obelisken um rund anderthalb Meter übertraf,117 müßte das Liniennetz
für eine Sonnenuhr mit diesem Obelisken als Gnomon eine noch grö-
ßere Fläche als das Solarium Augusti in Anspruch genommen haben.
Monuments 74 Nr. 75. Vgl. noch Amm. Marc. 17,4,15, nach dem der unter Constan-
tius II. nach Rom gebrachte Lateran-Obelisk zuerst eine solche Kugel {sphaera aenea
aureis lamminis nitens) erhielt, die jedoch vom Blitz getroffen und durch eine Flamme
ersetzt wurde. Zur symbolischen Bedeutung solcher Kugeln vgl. A. Roullet, a.a.O.
43 ff. (ebd. 43 mit der übertriebenen Ansicht, daß die Obelisken in Rom üblicherweise
eine solche Bekrönung trugen). Zu den vergoldeten Kugeln auf stadtrömischen Obe-
lisken vgl. noch A. W. Van Buren, RE XVII 2 (1937) 1709; B. H. Stricker, Oud. Med.
34, 1953, 37; E. Simon, Antike und Abendland 5, 1956, 101; E. Nash, Röm. Mitt. 64,
1957, 233ff. Ohne ausreichenden Grund nahm M.L.W. Laistner, JRS 11, 1921, 266,
an, daß der im Circus Maximus aufgestellte Obelisk, obwohl er keine Kugel trug, als
Gnomon einer Sonnenuhr diente.
115 Auch F. Magi, Capitolium 38,1963, 491, ging davon aus, daß die vergoldete Kugel dem
Vatikan-Obelisken - nach hellenistischen Vorbildern - schon von C. Cornelius Gallus
in Ägypten aufgesetzt worden war.
116 E. Buchner, Röm. Mitt. 83, 1976, 349 = Sonnenuhr 39 mit Abb. 11-12.
117 Vergleichende Abbildung bei E. Buchner, Röm. Mitt. 83, 1976, 328f. = Sonnenuhr
16f. Abb. 1-2.
 
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