Kunstwerk und Nation
17
New Yorker Gericht die Rückzahlung des Kaufpreises; ein illegal ausge-
führtes Kunstwerk sei nicht mehr verkäuflich; die Erbin und Verkäufe-
rin habe ihre „implied warranty“ gebrochen.
Das Gericht war anderer Auffassung. Italien könne nicht ein Bild von
Matisse beanspruchen. Anders sei es bei einer Madonna von Bellini
oder einem Raffael.41 Vergeblich argumentierten die italienischen Be-
hörden damit, daß das Bild von Matisse auf der Biennale in Venedig
gezeigt worden sei und außerdem einer Kunstrichtung angehöre, welche
auf Formen und Motive der italienischen Renaissance zurückgegriffen
habe.42 Das Gericht berief sich sogar auf Völkergewohnheitsrecht. Ita-
lien kann also ein französisches Bild nicht zurückverlangen; der Verkäu-
fer kann das Bild außerhalb Italiens veräußern, ohne Gewährleistungs-
ansprüchen des Käufers ausgesetzt zu sein. Das Gericht ließ allerdings
offen, ob die Gebräuche des Kunsthandels trotzdem zu einem Preisver-
fall führen können ,43
Wichtig ist in unserem Zusammenhang, daß hier die Nationalität des
Künstlers die Zuordnung des Kunstwerks bestimmte. Außerdem wurde
mit den Namen „Bellini“ und „Raffael“ eine gewisse Einschränkung an-
gedeutet. Schutzfähig sind offenbar nur Werke derjenigen Künstler,
welche für die Nation eine besondere Bedeutung haben. Der Begriff des
Nationalen hat also im Recht des internationalen Kulturgüterschutzes
eine Doppelfunktion. Zum einen geht es um die Zuordnung von Kunst-
werken zu einer bestimmten Nation, zum anderen um die Bezeichnung
einzelner Kunstgegenstände, deren besondere Bedeutung den nationa-
len Schutz rechtfertigt. Es sind in der Regel auch nur solche Werke be-
troffen, für deren Verbleiben im Inland die Staaten vor den Gerichten
des Auslandes kämpfen. Ein Bild von Matisse für Italien zu retten, ge-
lang dagegen nicht.
41 Vorige Note, S. 267: „Matisse’s Portrait sur Fond Jaune bore no such relation to Italy
as a Raphael or a Bellini Madonna.“
42 Oben Note 40, S. 263-264 N. 6.
43 Oben Note 40, S. 268.
Zur Bedeutung des Handelsbrauchs im Kunsthandel als „Verkehrssitte“ auch ge-
genüber Privatleuten vgl. RG, 19. 11. 1926, JW 1927, 764 (keine Minderung des Kauf-
preises bei unechtem Bild von Pissarro, sondern nur Rückgängigmachung des Kaufs)
mit abl. Anm. Werner.
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New Yorker Gericht die Rückzahlung des Kaufpreises; ein illegal ausge-
führtes Kunstwerk sei nicht mehr verkäuflich; die Erbin und Verkäufe-
rin habe ihre „implied warranty“ gebrochen.
Das Gericht war anderer Auffassung. Italien könne nicht ein Bild von
Matisse beanspruchen. Anders sei es bei einer Madonna von Bellini
oder einem Raffael.41 Vergeblich argumentierten die italienischen Be-
hörden damit, daß das Bild von Matisse auf der Biennale in Venedig
gezeigt worden sei und außerdem einer Kunstrichtung angehöre, welche
auf Formen und Motive der italienischen Renaissance zurückgegriffen
habe.42 Das Gericht berief sich sogar auf Völkergewohnheitsrecht. Ita-
lien kann also ein französisches Bild nicht zurückverlangen; der Verkäu-
fer kann das Bild außerhalb Italiens veräußern, ohne Gewährleistungs-
ansprüchen des Käufers ausgesetzt zu sein. Das Gericht ließ allerdings
offen, ob die Gebräuche des Kunsthandels trotzdem zu einem Preisver-
fall führen können ,43
Wichtig ist in unserem Zusammenhang, daß hier die Nationalität des
Künstlers die Zuordnung des Kunstwerks bestimmte. Außerdem wurde
mit den Namen „Bellini“ und „Raffael“ eine gewisse Einschränkung an-
gedeutet. Schutzfähig sind offenbar nur Werke derjenigen Künstler,
welche für die Nation eine besondere Bedeutung haben. Der Begriff des
Nationalen hat also im Recht des internationalen Kulturgüterschutzes
eine Doppelfunktion. Zum einen geht es um die Zuordnung von Kunst-
werken zu einer bestimmten Nation, zum anderen um die Bezeichnung
einzelner Kunstgegenstände, deren besondere Bedeutung den nationa-
len Schutz rechtfertigt. Es sind in der Regel auch nur solche Werke be-
troffen, für deren Verbleiben im Inland die Staaten vor den Gerichten
des Auslandes kämpfen. Ein Bild von Matisse für Italien zu retten, ge-
lang dagegen nicht.
41 Vorige Note, S. 267: „Matisse’s Portrait sur Fond Jaune bore no such relation to Italy
as a Raphael or a Bellini Madonna.“
42 Oben Note 40, S. 263-264 N. 6.
43 Oben Note 40, S. 268.
Zur Bedeutung des Handelsbrauchs im Kunsthandel als „Verkehrssitte“ auch ge-
genüber Privatleuten vgl. RG, 19. 11. 1926, JW 1927, 764 (keine Minderung des Kauf-
preises bei unechtem Bild von Pissarro, sondern nur Rückgängigmachung des Kaufs)
mit abl. Anm. Werner.