Kunstwerk und Nation
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gezeigt, das unter dem Titel „Embarquement pour Cythere“ bekannt
ist.98 Das Bild hing seit 1829 im Berliner Stadtschloß und schmückte
später den Salon der Kaiserin Auguste Viktoria. Es verblieb im Privat-
besitz des Hauses Hohenzollern und gelangte erst vor wenigen Jahren in
öffentlichen Besitz. Für die Zuordnung gab hier die Nationalität und die
Bedeutung der Besitzer den Ausschlag, der Künstler trat demgegenüber
zurück. Folgt man dem, so gibt es rechtlich gesprochen deutsche und
französische Watteaus.
XVIII. Die Nation als Rechtsbegriff
Die Schwierigkeit in der praktischen Anwendung eines solchen Krite-
rienkatalogs liegt aber nun darin, daß man viele Kunstwerke nicht ein-
deutig zuordnen kann. Das hängt auch damit zusammen, daß die Nation
selbst als Rechtsbegriff weniger faßbar ist als der Staat.99 Mancini, der in
der Nation die Monade der Wissenschaft vom Völkerrecht sah,100 orien-
tierte sich an Vico, wenn er einzelne objektive Unterscheidungsmerk-
male wie Sprache, Gebräuche, Gesetze, Religion, Rasse und Land -
Vico sprach hier von „terre“101 - zusammenstellte und als subjektive
Voraussetzung das Bewußtsein, einer Nation anzugehören, hinzu-
fügte.102 Rechtsregeln, welche den Begriff „national“ verwenden, sind
daher kaum für einfache Subsumtionen geeignet. Es geht vielmehr um
die andere juristische Anwendungstechnik der Adskription,103 der Zu-
schreibung eines Kunstwerks nach Betrachtung aller Umstände.
98 Vgl. hierzu Dilly, Ein Verfassungsauftrag, in: Glanzlichter - 40 Jahre Engagement des
Bundes für die Kunst, Städtisches Kunstmuseum Bonn 1989 XXIVff. XXV; Börsch-
Supan, Antoine Watteau - Embarquement pour Cythere, a.gl. O., S. 88ff., 91 f.; vgl.
auch Watteau 1684-1721 - Katalog der Ausstellung der Galeries nationales du Grand
Palais, Paris 1984 Nr. 62, S. 406ff.; Jutta Held, Antoine Watteau - Einschiffung nach
Kythera, Fischer Taschenbuch Verlag 1985, S. 24ff.
99 Vgl. Jayme, Pasquale Stanislao Mancini (1817-1888) - Die Nation als Rechtsbegriff im
Internationalen Privatrecht, JuS 1988, 933ff.
Mancini, Della nazionalitä come fondamento del diritto delle genti (1851), in: Diritto
internazionale - Prelezioni con un saggio su Macchiavelli, Napoli 1873 (Neudruck Va-
duz 1978), S. 42; vgl. hierzu Treggiari, Nationales Recht und Recht der Nationalität -
Mancini, in: JaymelMansel (Hrsg.), oben Note 25, S. 145ff., 150.
1111 Giambattista Vico, La scienza nuova, Rizzoli 1977, S. 452.
1(12 Jayme, Pasquale Stanislao Mancini - Internationales Privatrecht zwischen Risorgi-
mento und praktischer Jurisprudenz, 1980, S. 26ff. (28).
11,3 Zu dieser „typologischen“ Rechtsmethode vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechts-
wissenschaft, 4. Aufl. 1979, S. 200ff., 443ff.
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gezeigt, das unter dem Titel „Embarquement pour Cythere“ bekannt
ist.98 Das Bild hing seit 1829 im Berliner Stadtschloß und schmückte
später den Salon der Kaiserin Auguste Viktoria. Es verblieb im Privat-
besitz des Hauses Hohenzollern und gelangte erst vor wenigen Jahren in
öffentlichen Besitz. Für die Zuordnung gab hier die Nationalität und die
Bedeutung der Besitzer den Ausschlag, der Künstler trat demgegenüber
zurück. Folgt man dem, so gibt es rechtlich gesprochen deutsche und
französische Watteaus.
XVIII. Die Nation als Rechtsbegriff
Die Schwierigkeit in der praktischen Anwendung eines solchen Krite-
rienkatalogs liegt aber nun darin, daß man viele Kunstwerke nicht ein-
deutig zuordnen kann. Das hängt auch damit zusammen, daß die Nation
selbst als Rechtsbegriff weniger faßbar ist als der Staat.99 Mancini, der in
der Nation die Monade der Wissenschaft vom Völkerrecht sah,100 orien-
tierte sich an Vico, wenn er einzelne objektive Unterscheidungsmerk-
male wie Sprache, Gebräuche, Gesetze, Religion, Rasse und Land -
Vico sprach hier von „terre“101 - zusammenstellte und als subjektive
Voraussetzung das Bewußtsein, einer Nation anzugehören, hinzu-
fügte.102 Rechtsregeln, welche den Begriff „national“ verwenden, sind
daher kaum für einfache Subsumtionen geeignet. Es geht vielmehr um
die andere juristische Anwendungstechnik der Adskription,103 der Zu-
schreibung eines Kunstwerks nach Betrachtung aller Umstände.
98 Vgl. hierzu Dilly, Ein Verfassungsauftrag, in: Glanzlichter - 40 Jahre Engagement des
Bundes für die Kunst, Städtisches Kunstmuseum Bonn 1989 XXIVff. XXV; Börsch-
Supan, Antoine Watteau - Embarquement pour Cythere, a.gl. O., S. 88ff., 91 f.; vgl.
auch Watteau 1684-1721 - Katalog der Ausstellung der Galeries nationales du Grand
Palais, Paris 1984 Nr. 62, S. 406ff.; Jutta Held, Antoine Watteau - Einschiffung nach
Kythera, Fischer Taschenbuch Verlag 1985, S. 24ff.
99 Vgl. Jayme, Pasquale Stanislao Mancini (1817-1888) - Die Nation als Rechtsbegriff im
Internationalen Privatrecht, JuS 1988, 933ff.
Mancini, Della nazionalitä come fondamento del diritto delle genti (1851), in: Diritto
internazionale - Prelezioni con un saggio su Macchiavelli, Napoli 1873 (Neudruck Va-
duz 1978), S. 42; vgl. hierzu Treggiari, Nationales Recht und Recht der Nationalität -
Mancini, in: JaymelMansel (Hrsg.), oben Note 25, S. 145ff., 150.
1111 Giambattista Vico, La scienza nuova, Rizzoli 1977, S. 452.
1(12 Jayme, Pasquale Stanislao Mancini - Internationales Privatrecht zwischen Risorgi-
mento und praktischer Jurisprudenz, 1980, S. 26ff. (28).
11,3 Zu dieser „typologischen“ Rechtsmethode vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechts-
wissenschaft, 4. Aufl. 1979, S. 200ff., 443ff.