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Jayme, Erik; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 3. Abhandlung): Kunstwerk und Nation: Zuordnungsprobleme im internationalen Kulturgüterschutz ; vorgetragen am 27. Oktober 1990 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48163#0022
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Erik Jayme

geboren. Ein italienischer Künstler, als er mir Leben gab, schuf mich
schöner.“ In solchen Worten liegt zugleich eine Personifizierung des
Kunstwerks, die bei Canova später dazu führt, in einem Brief an Talley-
rand von der „patrie“, der Heimat der Kulturgüter, zu sprechen.52 Ent-
scheidend wird aber der auch politisch zu verstehende Gedanke einer
kulturellen Identität, welche durch das nationale Kunstwerk gestützt
wird.
Von Canova stammt ferner auch das seltene Beispiel eines von vorn-
herein öffentlich-rechtlich gebundenen nationalen Kunstwerks. Es han-
delt sich um die Statuengruppe „Herakles und Lichas“, welche Canova
für den Fürsten Torlonia schuf.53 Die Regierung des Kirchenstaates ver-
langte von dem Fürsten, sich und seine Erben zu verpflichten, daß die
Statuengruppe niemals das Land verlassen sollte. Als der Palazzo Torlo-
nia später den Erweiterungen der Piazza Venezia weichen mußte und
abgerissen wurde, gelangte das Werk in den Besitz des italienischen
Staates und zwar unter der Bedingung, daß es in der Nationalgalerie des
Palazzo Corsini aufzustellen sei, wo es sich noch heute befindet.
XI. Quatremere de Quincy: Die französische Kriegsbeute
und die Republik der Künste
Die Grundidee des Schutzes nationaler Interessen an bestimmten
Kunstwerken, die sich gegenüber den Interessen der Privatpersonen
und Individualeigentümer durchsetzen, verfestigte sich an der Wende
vom 18. zum 19. Jahrhundert. Im Jahre 1796 fielen die französischen
Truppen in den Kirchenstaat ein und besetzten Rom. Der Papst er-
kaufte das Fortbestehen des Staates und seine politische Existenz im

52 Museo Civico Bassano, Manoscritti Canoviani (E4) 5590: „.. . un expose des principa-
les raisons qui rendent les restitutions des monumens indiques ä la ville qui est pour
ainsi dire la patrie de la pluspart d’entre eux, aussi juste en eile meine, que digne de la
magnanimite de Sa Majeste tres Chretienne, et aussi necessaire aux progres des Artis-
tes de toutes les nations qui viennent se perfectionner ä Rome, que l’enlevement de ces
monumens leur fut funeste.“
53 Malamant. oben Note 45, S. 190. Die große Wirkung, die von dieser Gruppe ausging,
findet ein Echo bei Goethe, Reizmittel in der Bildenden Kunst (in: Schriften zur Kunst,
Zürich 1954, S. 981). „Einzelne ruhige Statuen können nur durch hohe Schönheit fes-
seln, in der Malerei leistet dasselbe Ausführung und Prunk; aber zuletzt schreitet doch
der Bildhauer zur Bewegung vor wie im Laokoon und der Neapolitanischen Gruppe
des Stiers, Canova bis zur Vernichtung des Lichas und der Erdrückung des Zentau-
ren.“
 
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